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Nachruf auf den Dyke*March
Intro
Am 26. Juli 2024 startete ab 18 Uhr der in 2013 gegründete Berliner Dyke*March (Demo für lesbische Sichtbarkeit)1 unter „Yallah, Yallah Intifada“, „Stop the Genocide“ und „Free Free Palestine“ Rufen auf dem Karl-Marx-Platz in Berlin Neukölln und endete am Abend auf dem Kreuzberger Oranienplatz mit der Verdrängung des „proisraelischen“ Blocks der queeren East Pride Gruppe, die an diesem Tag unter besonderem Polizeischutz begleitet werden mussten.2
Das diesjährige Dyke*March Motto lautete: „Love Dykes – Fight Fascism!“, wovon an diesem Tag allerdings in zweierlei Maß nur wenig zu spüren war.
Einige Dykes und Freunde unterstützten das East Pride Team mit ihrem „pro israelischen“ Block und Aufruf: "Go create resistance! Come to Dyke*March Berlin“3; die „Lesben gegen Rechts“ organisierten an jenem Tag in Berlin-Schöneberg eine eigene Lesbendemo unter dem Motto: „Solidarität mit jüdischen Lesben! Jewish lesbians welcome!“ - als Alternative zum Dyke*March.4
Rund 9.000 Menschen beteiligten sich letztendlich am letzten Freitag an der Demonstration, die Mitorganisatorin des Dyke*March, Manuela Kay sprach am 27. Juli 2024 in einem Interview mit "Radio Eins im Queerformat" sogar von geschätzt über 10.000 Teilnehmenden.5 Die Polizei ging von ca. 7.500 Personen aus6, wobei solche Zahlen von Behörden meist immer niedriger angesetzt sind.
Vorgeschichte
Der Dyke*March wurde im Vorfeld von den Organisatoren optisch unter den Farben: grün, rot, weiß und schwarz angekündigt und vorgestellt, was nicht wenige Frauen als die Nationalfarben der Palästinensischen Autonomiebehörde definierten und ansahen. Ihre Vorahnung und Angst war, dass es –neben dem politischen Statement überhaupt- beim diesjährigen March einen antiisraelischen Block geben könnte, der dadurch einen nicht mehr sicheren Ort gewährleisten würde und aus Erfahrungen heraus: Ausschreitungen und Übergriffe seitens der israelfeindlichen Fraktion vorprogrammiert sind, was sich dann schlussendlich auch so bewahrheitete.
In der Community gab es über Wochen viele Fragen und Diskussionen. Und schlussendlich ebenso viele Absagen aus Angst bzw. Nichtunterstützen wollen der diesjährigen Agenda.
Weiter kam es im Vorfeld zu Auseinandersetzungen, wie u.a. auch der Tagesspiegel berichtete. Dort war nachzulesen, das auf dem offiziellen Instagram Account des Dyke*March Berlin in einem Beitrag ein Kommentar des Teams veröffentlicht wurde (und kurze Zeit darauf wieder gelöscht), in dem sich die Organisatoren zwar gegen Antisemitismus positionierten, aber gleichzeitig ankündigten, u.a. gegen "Genozid" und "Apartheid" einzustehen.
Ein weiterer Post kündigte eine vom Dyke*March initiierte Soli-Veranstaltung im Möbel Olfe in Kreuzberg an. Dort wurde das offizielle Logo vom Olfe mit zwei roten Dreiecken grafisch hinterlegt, die in real auf dem Kreuzberger Gebäude in gelb-grüner Farbe erscheinen.7 Auch das wurde kritisiert.
» Diese roten Dreiecke (mittlerweile in vielfach abgewandelter Form) sind Zeichen, mit denen die Hamas im Fadenkreuz ihre Terrorziele zur Tötung markieren. Sie wurden in Berlin ab Ende 2023 erstmals auffällig, als die "palästinensische Szene" auf Protesten damit begann, diese vor allem als Bekenntnis- aber eben auch als Markierungssymbol gegen „ihre Feinde" zu verwenden. Sie können jeden treffen, der gegen antiisraelische Positionen Haltung bezieht. Bevorzugt sind dabei Aktivisten und Medienvertreter. Aber auch in Form von Graffiti werden diese Hamas-Symboliken von Sympathisanten der Terrororganisation benutzt, um mögliche Anschlagsorte zu markieren.
Laut dem Onlinemagazin für Frauen: AVIVA8 ging zu der Soli-Veranstaltung im Olfe auch eine Gruppe jüdischer Queers samt Allies dorthin, um mit dem Orga-Team in Kontakt zu treten.
"Es ging ihnen darum, sich als jüdische queere Menschen sowie Allies sichtbar zu machen und zu zeigen, dass es sie gibt, dass sie außerdem gesprächsbereit sind, dass sie sich Sorgen um ihre Sicherheit in queeren Räumen machen und dass israelische sowie jüdische Queers nicht allein sein müssen." Die Lage eskalierte dort allerdings, wie der Tagesspiegel weiter festhielt:
"Sie beschimpften uns als Zionistenschweine und zionist rapists, also zionistische Vergewaltiger". Nur eine einzige andere Frau und Mitarbeiterin des Möbel Olfe habe sich schützend vor sie gestellt, hieß es aus der Gruppe, alle anderen hätten sie bedroht oder zum Gehen aufgefordert. Und weiter: "Immer mehr schreiende Gäste seien dazu gekommen und hätten unter „Free Palestine“- und „Kein Platz für Genozid“-Rufen den Ausschluss der Gruppe von der Party gefordert". Die Veranstaltung wurde dann seitens der Veranstalter abgebrochen.
Wie die Jüdische Allgemeine schrieb, habe sich vor dem Lokal eine „Horde Wütender“ versammelt, bis schließlich die Polizei eingetroffen sei. Der Staatsschutz des Landeskriminalamtes bearbeite derzeit eine Anzeige wegen Beleidigung.9, 10, 11
Videoaufnahmen, die diese Darstellung belegen, liegen z.B. der Tageszeitung Jungle World vor.
Einige Tage später verurteilte das Dyke*March -Team laut Tagesspiegel in einem weiteren Instagram-Post "die unangekündigte politische Aktion" der Gruppe, die neben einer Regenbogenfahne mit Davidstern auch ein Plakat mit Aufklebern (No Pride in Hamas, believe israeli woman) beinhaltete, auf dem auch ein kleiner Aufkleber vom diesjährigen East Pride March ersichtlich war, der eine winzige Flagge Israels zeigte. Auf dem Plakat stand: „Safe Table for Jews and Israelis“.
Man warf ihnen Provokation und Spaltung vor. Außerdem hieß es dort: "So verurteilen wir die derzeitigen Genozide in Palästina und anderen Teilen der Welt." 12
Ideologie über Safe Spaces
Der Dyke*March Berlin startete in diesem Jahr ab 18 Uhr auf dem Karl-Marx-Platz in Neukölln. Die eigentliche Route sollte ursprünglich über die Karl-Marx-Straße, Anzengruberstraße, Donaustraße, Erkstraße, Sonnenallee, Kottbusser Damm, Kottbusser Tor, Adalbertstraße, Oranienstraße bis hin zum Oranienplatz nach Kreuzberg führen.
Die Route über die Sonnenallee wurde noch während des Marches abgesagt. Die Stimmung war durch die dort anwesende israelfeindliche Lobby-Community von Anfang an sehr angespannt und aggressiv, was dadurch immer wieder zu Polizeieinsätzen und zum Stopp des Dyke*March führte.13
Als Reaktion auf den Vorfall im Möbel Olfe rief der East Pride -eine queere Gruppe unter Anette C. Detering14 und Wolfgang Beyer- im Vorfeld dazu auf, sich am Abend des Dyke*March am Startpunkt der Demonstration unter der großen Regenbogenflagge mit Davidstern zu treffen. Detering und Beyer –beide auch Initiatoren der GayChurch Berlin- formulierten in ihrer Ankündigung, den Dyke*March „nicht den Antisemiten und Israelhassern zu überlassen“. Sie luden dazu ein, auf dem March wortwörtlich „Flagge zu zeigen“.
Dem Aufruf schlossen sich mehrere Teilnehmer mit Flaggen wie der Regenbogenflagge - die für den Pride in Tel Aviv warb sowie der Regenbogenflagge mit Davidstern und Schildern wie: „Solidarität mit allen zivilen Opfern in Nahost + weltweit“, „Rape is not Resistance“, „Dykes against Antisemitism“, „Next Year in Tehran“, „Gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit“, „Lesben für Medienkompetenz & gegen Ideologien“, „Trans People für Israel“ oder aber auch: „Ich wähle die Freiheit, Dyke*March was wählst du?“ an; die Anzahl dürfte sich dabei im mittleren, zweistelligen Bereich bewegt haben. Dass auf dem March Israel-Fahnen gezeigt wurden, wie dies vereinzelt Medien im Nachgang durch die Aussage von Manuela Kay bei Radio eins ungeprüft wieder gaben, wurde nirgendwo und von niemanden belegt.15 Selbst habe ich keine gesehen. Der dort gezeigte Davidstern (auf Regenbogenflagge) ist mit dem Judentum verbunden.16
Der East Pride Block, bei dem auch Mario Röllig17 teilnahm, wurde im vorderen vierten Block des Marches angekündigt, also unmittelbar am mittleren Ende des Demonstrationszuges.
Direkt zu Beginn der Auftaktveranstaltung versammelten sich inmitten des Karl-Marx-Platz neben dem roten VW-Transporter des Dyke*March Organisationsteams -teils bekannte Aktivisten und auch einschlägig bekannte Männer- aus dem „Pro Palästina“ Spektrum und läuteten die Demo lautstark mit Sprechchören wie: „Free free Palestine“, „Stop the Genocide“ oder „Yallah, yallah Intifada“ ein.
Bevor der Dyke*March mit seiner Aufstellung startete, formierten sich in der Karl-Marx-Straße in Höhe Woolworth erst noch die Dykes on Bikes (Lesben auf Motorrädern), die allerdings wie im letzten Jahr eine andere und längere Route an diesem Tag einnahmen, als die der Laufgruppe.
Nach dem wiederholten Rufen von verbotenen Parolen, wie „From the river to the sea, Palestine will be free!“, nahm die Polizei mehrere Personen in Gewahrsam, was zu ersten, heftigen Tumulten führte. Manuela Kay vom Organisationsteam musste nun als Auflage über Lautsprecher das Skandieren des Spruchs „From the river“ nochmals untersagen und ergänzte dies mit den Worten: „Das sind nicht unsere Regeln, das verlangt die Polizei“. Der genaue Wortlaut ist den Quellen zu entnehmen.18
Es reihte sich nun unter „Zionisten sind Faschisten“ Parolen der immer größer werdende, antiisraelische Block gleich hinter den beiden Dyke*March Bannern (Frontbanner und Mottobanner) ganz vorne ein. Wie auch an anderer Stelle bereits so dokumentiert, war dieser Block sowohl zahlenmäßig als auch in Sachen Sicht- und Hörbarkeit dem ersten Block weitaus überlegen und führte dadurch für Außenstehende optisch den Dyke*March an.19
Die antiisraelischen Aktivisten liefen mit einem ihrer Frontbanner „No pride in Genocide“ sowie mit Nationalflaggen der Palästinensischen Autonomiebehörde (Nationalflaggen waren ausdrücklich nicht erwünscht), Transparenten wie: „BI´s 4 Palestine“, „Queers 4 Palestine“, „Flintifada“ oder einem BDS-Plakat (als BDSM deklariert) direkt hinter und später auch neben dem Dyke*March Transporter, davor war das gelbe Banner mit dem diesjährigen Slogan „DYKES* united – against fascism“ zu lesen. 20, 21
Von Beginn an versuchte der antiisraelische Block einschüchternd und feindlich auf Medienvertreter u.a. mit persönlich-direkten Hamas-Markierungen und Beleidigungen einzuwirken.22 Dass dies ernst zu nehmen ist, zeigte auch die spätere Messerattacke auf den Journalisten Iman S., die zum Glück noch einmal glimpflich verlief. Der Täter aus dem linken und israelfeindlichem Spektrum wurde einen Tag später auf dem Internationalistischen Queer Pride festgenommen23 welcher in diesem Jahr unter dem Motto: „Queers for Palestine“ abgehalten wurde.24
Bereits an der Ecke Karl-Marx-Straße/Anzengruberstraße kam der Dyke*March ins Stocken. Eine Gruppe von radikalfeministischen Lesben wurde durch hunderte aggressive Dyke March Teilnehmer einschließlich „Palästina-Aktivisten“ blockiert, als Faschisten und Transfeinde beschimpft und mit Slogans wie: "Bildet Banden, macht sie platt xxx wie in jeder Stadt", "Haut ab Haut ab", „Widerstand“, "Terfs verpisst euch, keiner vermisst euch" nieder geschrien, kurzzeitig auch körperlich attackiert und schlussendlich eingekesselt, um sie vom Dyke*March abzuschirmen, weil diese in erster Linie sichtbar von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machten.
Diese Lesben mussten von der wenig vorhandenen Polizei vor dieser Masse geschützt werden. Schlussendlich gab es dort eine freiheitsentziehende Festsetzung aus dem Dyke*March Spektrum.
In einer Videodokumentation auf einem transfeindlichen und Fake-News verbreitenden Kanal auf X (ehemals Twitter) ist eine Teilnehmerin des Dyke*March zu sehen, die unter Applaus versuchte, ein zuvor von den radikalen Lesben entwendetes Schild mit der Aufschrift: „Lesbe gleichgeschlechtlich liebende Frau“ zu verbrennen, was ihr allerdings nicht gelang, da dieses sich nicht entzündete.25
Ein Transparent einer Person des Dyke*March, welches die Aufschrift: „TERFs Can Suck My Trans Dick“ („Terfs können meinen Trans-Schwanz lutschen“) welches bereits im letzten Jahr auf dem CSD Berlin mit geführt wurde, führte hingegen beim Dyke*March zu keiner Empörung.26 Auf dem Transparent wurde zwar die Inversion aufgemalt, dennoch ist es als übergriffig zu bewerten.
Nach dem Vorfall in der Anzengruber Straße wurden einige, vereinzelte Frauen im späteren Verlauf und bis Veranstaltungsende z.B. von einer Transfrau mit Springerstiefeln aus dem israelfeindlichen Spektrum nicht nur als „Fascholesben“ bezeichnet, sondern ihnen wurden immer wieder schreiend ihre sexuelle Identität abgesprochen. Die Lesben wurden in einer abgewandelten Form des Hamas-Dreieckes markiert und als „Höhepunkt“ dieser Aktion holte die Transaktvistin, die noch zu Beginn auf dem Dyke*March vermummt mit Maske und Kufiya auftrat: ihre Brust heraus und zeigte diese in die teilnehmende Dyke*March Menge. Es war schon sehr grotesk.
Sie versuchte immer wieder, durch ihre vermeintlich optischen Bedrohungsgebärden die Frauen von der Demonstration einschüchtern zu können, was ihr allerdings nicht gelang. Sie wurde ausgelacht.27
Diese Aktivistin mit rotem Dreieckstuch rief auch dem East Pride Team mit einem Sprechchor immer wieder „Fuck you Israel, Fuck antideutsch und shame on you“ zu und markierte auch dort die Teilnehmenden. Sie wurde immer wieder von der Polizei aus dem Geschehen heraus gebracht, die Queer-Beauftragte der Berliner Polizei: Anne von Knoblauch wirkte hier immer wieder ein.28
Während ein Großteil der Anwesenheit den Dyke*March feierte und sich auf diesem vergnügte, erhielt dieser vom Rand aus auch immer wieder auf Höhe des antiisraelischen Blocks Applaus von einer Klientel aus Männern (wenn sie denn nicht im March selbst mit liefen), die dem Inhalt des Protests und der Sichtbarmachung lesbischen Lebens eigentlich total abgeneigt ist. 29
Weiterhin kam es immer wieder zu Ausschreitungen und Ansammlungen zwischen antiisraelischen Akteuren und der Polizei, was den Dyke*March immer wieder stoppen ließ.
Das East Pride Team wurde auf der gesamten Strecke immer wieder beschimpft oder es mischten sich antiisraelische Aktivisten in diesen Block ein, die diesen abfotografierte. Es gab neben Nazi-Rufen auch immer wieder kleine und feindselige Nuancen aus dem Publikum des Dyke*March und umstehenden Passanten zu beobachten, die daraufhin deuteten, dass z.B. Losungen gegen Rechts eher dem East Pride-Block zugewandt waren.
Am Ende des diesjährigen Dyke*March wurde das East Pride Team in einem Schlagabtausch mit antiisraelischen Aktivisten und u.a. unter Intifada-Rufen sowie „Fascholesben raus aus der Demo“ der Veranstaltung verdrängt.30 Sie mussten schlussendlich unter Polizeischutz zu ihrem Nachhausweg begleitet werden. Nun konnte der Rest vom Dyke*March „endlich auch“ auf den Oranienplatz nachrücken und die Veranstalter konnten laut Quellen alsbald freudig den diesjährigen March unter dem Motto: „Love Dykes – Fight Fascism!“ für beendet(und vermutlich für gelungen) erklären.
Ich selbst habe den Dyke*March nach Verdrängung des East Pride Teams ebenfalls aus Sicherheitsgründen und über Umwege verlassen. Das hätte ich mir noch vor einem Jahr in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können.
Beim Dyke*March gab es laut Deutsche Journalisten-Union (dju) mehrere Angriffe auf Journalisten, wie die Landesvorsitzende Renate Gensch mitteilte. Ein Journalist habe von einer Teilnehmerin einen Schlag in den Bauch erhalten, andere seien mit Flaschen beworfen, einer anderen Journalistin sei an den Haaren gezogen worden. Laut Polizei versuchten Teilnehmende mehrfach, Journalisten durch Versperren der Sicht bei ihrer Arbeit zu behindern oder diese einzuschüchtern.
Abgesehen von fast 30 Freiheitsbeschränkungen kam es an diesem Tag zu einer verhinderten Messerattacke auf einen Journalisten, der bis nach Hause verfolgt und dort aufgelauert wurde.
Die Polizei sprach ebenso viele Strafanzeigen, unter anderem wegen Beleidigung, tätlichen Angriffs, Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen, Gefangenenbefreiung und Volksverhetzung aus.31
Ein kurzer Blick ins Jahr 2023 und das Haltungsproblem vieler Linker
Am 7. Oktober 2023 überfiel in einem terroristischen Akt die palästinensisch-sunnitisch-islamistische Organisation Hamas vor allem linke Kibbuzime in Süd-Israel, die für ihre friedensstiftenden Unterstützungen bekannt sind. Unter den Getöteten und verschleppten Geiseln waren viele Aktivisten, die sich für Frieden, eine Zweistaatenlösung und vor allem für Menschenrechte und für einen Ausgleich mit den Palästinensern eingesetzt hatten. Das sollte an dieser Stelle vielleicht noch einmal explizit hervorgehoben und kommuniziert werden.32
In der Charte der Hamas wird als zentrales Ziel die totale Zerstörung des Staates Israel propagiert. Die Charta fordert einen dschihadistischen Palästinenserstaat und ruft zur Erreichung dieses Ziels ganz offen zur Tötung von Juden auf.33
Der Hamas sind natürlich linke (politische) Ausrichtungen vollkommen egal. Gerade gelebte Vielfalt und auch homosexuelle Lebensweisen wären u.a. mit einer der ersten Zielscheiben der Hamas. Dies wird allerdings von sympathisierenden Linken stoisch ausgeblendet und/oder verleugnet.
Seit diesem barbarischen Massaker an über 1.200 Israelis, welches auch als das größte und brutalste Pogrom seit dem Holocaust im 2. Weltkrieg bezeichnet wird34, positionieren sich weltweit und auch in Deutschland dogmatisch angeführte antiisraelische Bewegungen samt unterstützenden linksextremen Strömungen aus dem zumeist antiimperialistischen Spektrum, die ebenfalls überwiegend eine Zweistaatenlösung ablehnen, sich in Sympathie mit der Hamas in einer „Widerstandsbewegung“ wähnen, die die Auslöschung des Staates Israels fordern und ihre Feinde ebenfalls mit dem Hamas-Symbol markieren, wie das viele Fotodokumentationen, Berichte der Presse und eigene Statements belegen und aufzeigen.
Der Staat Israel wird pauschal abgelehnt, es wird auch kein Unterschied zwischen Regierung und Zivilisten gemacht, was der Ablehnung des Existensrecht Israels gleich kommt. Inhaltliche Kritiken an die rechts-religiöse Regierung unter Benjamin Netanjahu hat es bisher auf Demonstrationen (auch die, die ich begleitet habe) nicht gegeben. Siehe dazu auch den Zwischenruf von Sebastian Leber im Tagesspiegel, siehe Quellen.35
Stattdessen werden -ebenfalls pauschal- alle israelsolidarischen Menschen, die sich für die Sicherheit von jüdischen Menschen und für das Existenzrecht Israels einsetzen oder die über israelfeindliche Proteste berichten: mit der rechten und tief religiösen Regierung Israels gleichgesetzt, zu Feinden markiert, angegriffen und „können somit - mit dem angeblich rechten Narrativ - ´mit dem vermeintlich linken Narrativ´ ausgegrenzt werden“.
Homosexuelle Menschen müssen im Gaza-Streifen wegen ihrer sexuellen Orientierung um ihr Leben fürchten; nicht wenigen Teilnehmern des Dyke* March war das aber scheinbar an diesem Tag egal. Auf Schildern und unter Flaggen der Palästinensischen Autonomiebehörde verkündeten sie ihre Unterstützung „für Palästina“ einschließlich Hamas-Symboliken- und Bedrohungen.
Das Orga-Team vom Dyke*March hatte sich trotz dieser Faktenlage dennoch in diesem Jahr dazu entschlossen, diese israel- und eigentlich auch homofeindliche Allianz für eine "lesbische Sichtbarkeit" (?) und in Solidarität mit laufen zu lassen. Den Verlauf dieser Demonstration kennt man.
Meinung zum Thema „TERF“
Aufgrund dessen, das es im Nachgang des Dyke*March doch schlecht recherchierte oder eben auch gekürzte Berichterstattungen zu diesem Tag gab, möchte ich hier ausführlicher auf das Thema „TERF“ eingehen. Dem möchte ich hinzufügen, dass queere Politik nicht wirklich zu meinen Themen gehört, wie man dies auf meiner Fotoplattform flickr nachlesen kann. Allerdings gehören zu meinem Metier auch: Quermilieus inklusive Verschwörungsmythen und Fake-News.
Vor wenigen Jahren habe ich mich mit dem „Phänomen TERF“ näher auseinander gesetzt und fand auf Twitter (heute X) einen harten Kern von diversen Profilen mit verbal hetzenden Protagonisten, teils mit einem Weg nach Rechtsaußen, die im Sinne der eigenen sexuellen Selbstbestimmung bis heute heftige transfeindliche Verschwörungsmythen, Fake-News und Verleumdungen verbreiten, Transpersonen z.B. ihre Identität absprechen bzw. diese nicht anerkennen (aktuell boomt Olympia) und sich dabei mit allerlei unseriösen Formaten vernetzen und entsprechende „Inhalte“ an Fake-News und Hetzkampagnen teilen, solange dies der eigenen Weltanschauung entspricht.
Dadurch, dass es diese öffentlichen Profile (nicht nur auf X) gibt, ist auch die Leugnung der „TERF-Aktivitäten“ zu wiederlegen. Immer wieder wird versucht, diese dort ausgeübte Transfeindlichkeit als Verleumdung zu deklarieren – statt sich klar gegen Hass und Hetze zu positionieren.
Hass und Hetze haben nichts mit Meinung und diskutierbaren Inhalten zu tun. Und schadet genau den Lesben, die ihre sexuelle Selbstbestimmung ohne Hass leben. Sie sind allerdings nicht mehr wirklich „sichtbar“, weil sie mittlerweile aus der queeren Community immer wieder mit der „TERF-Bewegung“36 gleichgesetzt werden, was natürlich ebenfalls ein ebenso großes Problem darstellt.
„TERF“, so wie diese Lesbengruppe in der Anzengruber Straße bezeichnet wurde, steht dabei als Akronym für „Trans Exclusionary Radical Feminists“ („Trans-ausschließende Radikalfeministinnen“).
Ob an diesem Tag die eingekesselte Gruppe von Dykes mit ihren Bannern und Schildern (zumeist in der „Ich-Form“ formuliert) in politischer Ausrichtung zu den so genannten „TERF´s“ gehört haben - wie ihnen vorgeworfen wurde, kann ich nicht beurteilen. Was ich gesehen habe, dass sie ihre sexuelle Selbstbestimmung ausgedrückt haben, die u.a. wie folgt auf Schildern zu lesen waren:
„my vulva is a female only space“, „Wir Lesben sind überall“, Frauenzentriert, „unapologetically lesbian“, „Lesbe gleichgeschlechtlich liebende Frau“, „Bildet Banden“ oder „kompromisslos lesbisch“. Hervor stach eher das Schild: „Dyke XX March“ Die beiden XX spielen auf den Chromosomensatz an, der beim weiblichen Geschlecht doppelt liegt (XX).
Ich grübele allerdings bis heute darüber nach, warum das Plakat: „Lesbe gleichgeschlechtlich liebende Frau“ einmal A) transfeindlich sein soll – drückt es doch einfach nur die Liebe zwischen Frau und Frau aus und B) was daran so rechts sein soll, das man versuchte, dieses Schild auf dem Dyke*March zu verbrennen. Ich weiß es wirklich nicht.
Was ich allerdings vernommen habe, waren vereinzelt Äußerungen, die transfeindlich ausgerichtet waren. Sie kamen allerdings nicht aus dem Lesben-Block.
Seit jeher gibt es in der Lesbenbewegung Dykes, die in ihrer unerschütterlichen Identität als Lesbe auch nach 40 oder 60 Jahren es nach wie vor ablehnen, Sex mit einem männlichen Geschlechtsteil zu haben. Es stellt unter Lesben eine ganz normale sexuelle Selbstbestimmung dar (Definition Lesben), die bei den meisten nichts mit Ideologie (und dementsprechend politisch auch nichts mit „TERF“) zu tun hat. Sexuelle Selbstbestimmung ist etwas sehr privates und intimes, über das niemand anders als die Person selbst zu entscheiden hat. „My Body, my Choice“. Jeder kennt´s.
In Deutschland wird übrigens neben der Würde auch das Recht auf freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit durch Artikel 2 Absatz 1 im Grundgesetz geschützt.37
Ein Problem in der Rainbow Community scheint generell zu sein, dass privates mit politischem vermischt und gleichgesetzt wird. Das war auch an diesem Tag des Dyke*March ein gängiges Muster für viele aufgezeigte Bereiche. Mir fiel es an diesem Tag dadurch besonders intensiv auf.
Gruppierungen wie „TERF“, die auch den Begriff „queer“ ablehnen, machen es in dieser Debatte natürlich nicht besser – sondern bewirken eher das Gegenteil.
Letztendlich fühlen sich dadurch auch viele Köpfe aus der queeren Community in ihren Aktionen bestätigt, die allerdings ebenso pauschal vermischen, gleichsetzen und mit Hass reagieren und dabei sehr autoritär in ihrer politischen Auffassung auftreten, wie das der Dyke*March zeigte. Ob man sich da als kritische Lesbe noch Safe fühlen kann? Ich wage das zu bezweifeln.
Es ist weiterhin zu einem Unding pervertiert, das der Status und die Selbstbezeichnung der homosexuellen Ausrichtung (lesbisch, bi, schwul, queer etc.) mittlerweile nur noch als „politische Agenda und Etikette“ gehandhabt wird und somit gelebte Identitäten politisch bewertet werden, was etwas außerordentlich privates und absolut intimes ist. Da läuten bei mir alle Alarmglocken!
Man kann seine eigene, persönliche Identität ganz ohne Hass und Hetze ausdrücken, leben und ebenso auch Kritik am Selbstbestimmungsgesetz ausüben. Dazu braucht es keine „TERF-Community“.
Vielen „unsichtbaren“ Dykes geht es vorrangig um Safe Spaces (ihr im Grundgesetzt verankertes Recht auf persönliche Entfaltung - und nicht um Transpersonen als Affront) und sie wollen dazu (an)gehört – und nicht ausgegrenzt werden. Das neue Selbstbestimmungsgesetz ist wichtig und richtig, denn auch transgeschlechtliche Identität gehört einfach dazu.
Für nicht wenige Lesben wurde das Selbstbestimmungsgesetz nicht im Gleichgewicht für alle Betroffenen in Sachen Safe Spaces durchgesetzt. Diese Kritik geht allerdings durch Hass und Hetze von Transfeinden und scheinbaren Männerhassern unter. Noch ein sehr großes Problem.
Vielfalt bedeutet: unterschiedliche Meinungen und Lebensweisen nicht nur zu tolerieren, sondern vor allem auch: zu akzeptieren! Wer das nicht macht -und damit meine ich alle „Fraktionen“ - der lebt auch keine Vielfalt.
Transfeindlichkeit ist keine Meinung, sondern Hass und Hetze. Lesbenfeindlichkeit allerdings ebenso! Es ist beides zu verurteilen.
Beides hat es auf dem Dyke March gegeben.
Viel zu viele Probleme, die unter „lesbischer Sichtbarkeit“ laufen, aber eigentlich unsichtbar sind und auch weiterhin unsichtbar bleiben, wenn wie in diesem Jahr: immer weitere Probleme in den Dyke*March inkludiert werden, statt die eigentlichen und vorhandenen Probleme zu „bearbeiten“ und die gesamte Pride Community zu stärken und zu vereinen.
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relevant, hinzugezogene Quellen
2 x.com/DominikLenze/status/1816871597799534780 sowie www.youtube.com/watch?v=V4DP91-CQ6c
4 lesbengegenrechts.jimdofree.com/
5 www.radioeins.de/programm/sendungen/sondersendung/csd-202... (Archiv: archive.fo/LUHrW)
6 jungle.world/artikel/2024/31/dyke-march-berliner-lesben-b...
7 www.tagesspiegel.de/themenspeziale/diversity/dyke-march-b... (Archiv: archive.fo/uxUDR)
8 www.aviva-berlin.de/aviva/content_Public%20Affairs_Diskri...
9, 10, 11 tagesspiegel.de/berlin/sie-beschimpften-uns-als-zionisten...
jungle.world/artikel/2024/29/dyke-march-berlin-moebel-olf...
www.juedische-allgemeine.de/politik/kein-safe-space/
12 www.tagesspiegel.de/themenspeziale/diversity/dyke-march-b... (Archiv: archive.fo/uxUDR)
13 www.flickr.com/photos/sozialfotografie/53887184684/in/alb...
14 www.evangelische-zeitung.de/east-pride-in-berlin-queere-k...
15 www.radioeins.de/programm/sendungen/sondersendung/csd-202... (Archiv: archive.fo/LUHrW)
16 www.zentralratderjuden.de/judentum/symbole/
17 meinviertel.berlin/gesellschaft/freiheitsdrang-unterdruec...
18 x.com/ISefati/status/1816891993852936604, x.com/EndPutinsWars/status/1816897423194648598 sowie jungle.world/artikel/2024/31/dyke-march-berliner-lesben-b...
19 queernations.de/dyke-march-berlin-2024-spalten-was-gespal...
20, 21
x.com/DominikLenze/status/1816874447930118521
x.com/DominikLenze/status/1816879765615149084
www.youtube.com/watch?v=V4DP91-CQ6c
x.com/EndPutinsWars/status/1816880634314514543
22 www.flickr.com/photos/sozialfotografie/53887199239/in/alb... und www.flickr.com/photos/sozialfotografie/53885952397/in/alb...
23 www.tagesspiegel.de/berlin/er-zog-ein-messer-journalist-n... (Archiv: archive.fo/yqbxZ)
24 www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-polizei-zieht-bilanz-... (Archiv: archive.fo/Oilqs)
25 x.com/ReduxxMag/status/1817584260582154736 (Archiv: archive.ph/AmNy2)
26 www.flickr.com/photos/sozialfotografie/53886857746/in/alb...
27 www.youtube.com/watch?v=V4DP91-CQ6c und www.flickr.com/photos/sozialfotografie/53887188004/in/alb...
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29 x.com/DominikLenze/status/1816922326492922050 und x.com/ISefati/status/1816885813952868726
30 www.youtube.com/watch?v=V4DP91-CQ6c
31 www.tagesspiegel.de/berlin/staatsschutz-ermittelt-journal... (Archiv: archive.fo/hzdo3), x.com/ISefati/status/1816898348252823823, www.bz-berlin.de/berlin/dyke-march-berlin-israel-hass
und dju-berlinbb.verdi.de/aktuell/nachrichten/++co++c1788cfc-...
32 www.hessenschau.de/politik/von-hamas-ermordet-friedensakt...
33 www.bpb.de/themen/islamismus/dossier-islamismus/36358/ant...
34 taz.de/Moshe-Zimmermann-ueber-den-Nahost-Krieg/!5966884/
35 www.tagesspiegel.de/gesellschaft/fehlende-abgrenzung-von-... (Archiv: archive.fo/SzefJ)
36 www.deutschlandfunkkultur.de/transpersonen-desinformation...
37 www.gesetze-im-internet.de/gg/art_2.html
weitere Quellen in Bezug auf den Dyke*March
www.bz-berlin.de/berlin/dyke-march-berlin-israel-hass
www.berliner-zeitung.de/news/antisemitische-parolen-auf-d...
www.tagesspiegel.de/themenspeziale/diversity/dyke-march-b...
www.bild.de/regional/berlin/vor-csd-in-berlin-israel-hass...
www.tagesschau.de/inland/regional/berlin/rbb-rund-9-000-t...
www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/07/dyke-march-vor-chri...
www.bz-berlin.de/berlin/dyke-march-berlin-israel-hass
www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/nahostkonflikt-i...
www.tagesspiegel.de/berlin/spaltungen-in-der-community-ma...
www.bz-berlin.de/ticker/israel-hass-bei-dyke-march-in-berlin
taz.de/Nahost-Konflikt-in-Queer-Community/!6022855/
taz.de/Lesbischer-Dyke-March-in-Berlin/!6026229/
www.juedische-allgemeine.de/israel/dann-zog-er-ein-messer...
www.mz.de/panorama/nahostkonflikt-auch-beim-dyke-march-38...
www.siegessaeule.de/magazin/dyke-march-2024/
www.tagesspiegel.de/kultur/antisemitismus-beim-dyke-march...
www.instagram.com/p/C9zo6SQoHvk/
www.instagram.com/p/C9zpM9yoDFu/
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Vielen Dank!
Stand: Juli (Fotos) und August (Text) 2024
Adam Angst in concerto all'Hurricane Festival 2024 a Scheeßel foto di Pier Paolo Campo per www.rockon.it