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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

www.flickr.com/photos/sterneck/sets/72157626608944632

 

Gathering of the Tribes

www.gottribes.org

 

Moontribe

www.moontribe.org

 

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

www.sterneck.net/stern/gathering-california

 

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

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Moontribe

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

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Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

www.flickr.com/photos/sterneck/sets/72157626608944632

 

Gathering of the Tribes

www.gottribes.org

 

Moontribe

www.moontribe.org

 

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

www.sterneck.net/stern/gathering-california

 

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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Nico Williams was the winner of the 2024 Sobey Art Award

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

www.flickr.com/photos/sterneck/sets/72157626608944632

 

Gathering of the Tribes

www.gottribes.org

 

Moontribe

www.moontribe.org

 

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

www.sterneck.net/stern/gathering-california

 

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

www.flickr.com/photos/sterneck/sets/72157626608944632

 

Gathering of the Tribes

www.gottribes.org

 

Moontribe

www.moontribe.org

 

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

www.sterneck.net/stern/gathering-california

 

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

www.flickr.com/photos/sterneck/sets/72157626608944632

 

Gathering of the Tribes

www.gottribes.org

 

Moontribe

www.moontribe.org

 

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

www.sterneck.net/stern/gathering-california

 

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

www.flickr.com/photos/sterneck/sets/72157626608944632

 

Gathering of the Tribes

www.gottribes.org

 

Moontribe

www.moontribe.org

 

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

www.sterneck.net/stern/gathering-california

 

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

www.flickr.com/photos/sterneck/sets/72157626608944632

 

Gathering of the Tribes

www.gottribes.org

 

Moontribe

www.moontribe.org

 

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

www.sterneck.net/stern/gathering-california

 

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

www.flickr.com/photos/sterneck/sets/72157626608944632

 

Gathering of the Tribes

www.gottribes.org

 

Moontribe

www.moontribe.org

 

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

www.sterneck.net/stern/gathering-california

 

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

www.flickr.com/photos/sterneck/sets/72157626608944632

 

Gathering of the Tribes

www.gottribes.org

 

Moontribe

www.moontribe.org

 

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

www.sterneck.net/stern/gathering-california

 

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

www.flickr.com/photos/sterneck/sets/72157626608944632

 

Gathering of the Tribes

www.gottribes.org

 

Moontribe

www.moontribe.org

 

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

www.sterneck.net/stern/gathering-california

 

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

www.flickr.com/photos/sterneck/sets/72157626608944632

 

Gathering of the Tribes

www.gottribes.org

 

Moontribe

www.moontribe.org

 

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

www.sterneck.net/stern/gathering-california

 

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

www.flickr.com/photos/sterneck/sets/72157626608944632

 

Gathering of the Tribes

www.gottribes.org

 

Moontribe

www.moontribe.org

 

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

www.sterneck.net/stern/gathering-california

 

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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The Cumberland Square Safeway store in Saskatoon originally opened in 1964, and has gone through minor renovations over the years. Eventually, Sobeys Inc. acquired Canada Safeway and was required to sell a number of locations to competitors in order to complete the purchase. This store, however, wasn't required to be sold. However, the lease to this store comes to an end soon, and a Sobeys store is across the street. With the costs associated with renovating this store, the decision was made to close this store. The store closed at 6:00 pm on April 5, 2014.

 

For a store that was closing, I was surprised by how much stock was remaining.

 

This store was unique in Saskatoon because the inside reveals that it is a marina-style store, but the outside doesn't. The other store that resembles this type of store can be found at 302 33rd Street West.

Date: 1970-04-08

Photographer: City of Halifax Planning Department

Format: 1 photograph, b&w print, 8.89 x 12.7 cm

Retrieval Code: Shopping Centres - Fairview, 102-105-3-SC2-6

  

Ville-Marie, Sherbrooke, Nord, 1379 rue Sherbrooke ouest, Montréal.

 

L’œil, Sculpture en Bronze

Don de l'artiste et des employés du Musée des beaux-arts de Montréal dans le cadre de la Campagne 2008-2012

David altmejd

Né à Montréal en 1974, David Altmejd obtient son baccalauréat de l’Université du Québec à Montréal en 1998 et sa maîtrise en beaux-arts de l’université Columbia (New York) en 2001. Il participe à la 8e Biennale d’Istanbul en 2003, à la Biennale du Whitney en 2004, à la première édition de la Triennale d’art québécois, tenue au Musée d’art contemporain de Montréal (MACM) en 2008. Il représente le Canada à la 52e Biennale de Venise en 2007 et reçoit en 2009 le prix Sobey. Plusieurs musées canadiens et étrangers ont acquis des œuvres de lui, notamment le MACM, le Musée des beaux-arts du Canada, le Musée des beaux-arts de l’Ontario, le Musée des beaux-arts de Montréal, Les Abattoirs de Toulouse, le Solomon R. Guggenheim Museum de New York, le Whitney Museum of American Art de New York, le Museum of Contemporary Art de Los Angeles et le MUDAM Luxembourg (Musée d’art moderne Grand-Duc Jean). En 2015, Altmejd est fait Compagnon des arts et des lettres du Québec et le MCAM tient une importante rétrospective de son œuvre. David Altmejd vit et travaille à New York.

artpublicmontreal.ca/oeuvre/loeil/

 

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

www.flickr.com/photos/sterneck/sets/72157626608944632

 

Gathering of the Tribes

www.gottribes.org

 

Moontribe

www.moontribe.org

 

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Wolfgang Sterneck:

The Gathering of the Tribes

www.sterneck.net/stern/gathering-california

 

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Wolfgang Sterneck:

In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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store signs. still loving this film.

 

more on my tumblr.

 

Polaroid OneStep sx70

Impossible Project PX-70 Color Shade/First Flush

Canon MP530

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Gathering of the Tribes :

Moontribe-Party

Mojave Desert - 2001

 

Photo-Report:

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Gathering of the Tribes

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Moontribe

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The Gathering of the Tribes

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In the Cracks of the World *

Photo-Reports: www.flickr.com/sterneck/sets

Articles and Visions: www.sterneck.net

 

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THE GATHERING OF THE TRIBES

 

”Wir brauchen solche Treffen, um das Vertrauen wieder aufzubauen, das uns in der Kindheit genommen wurde...” - Es ist Sobey aus Vancouver, der mit diesen Worten die Atmosphäre des ”Gathering of the Tribes” in Los Angeles zusammenfasst. VertreterInnen von rund 50 Projekten setzen sich dort fünf Tage lang mit Wegen der persönlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Veränderung auseinander.

 

Das Verständnis von Tribe bzw. Stamm ist relativ weit gefächert und bewusst im Vorfeld nicht fest definiert. So er-streckt sich der Begriff auf lokale Projekte genauso wie auf die TeilnehmerInnen alternativer Festivals, auf grenzüber-schreitende Aktionsgruppen genauso wie auf kommuneartige Gemeinschaften. Vertreten sind unter anderem Leute vom Rainbow-Gathering, Burning Man und Earthdance, Angehörige der Farm-Kommune und anderer Eco-Village-Projekte, Mitglieder von Reclaim the Streets, Free our Forests, Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies, Subversive Sounds, Moontribe, Alice-Project und Dream Theatre.

 

Inhaltlich reicht das Spektrum von Gruppen aus dem radikalen politischen und ökologischen Spektrum über Initiativen, die sich aufklärend gegen die bestehende Drogenpolitik stellen, bis zu Personen die beispielsweise über Trance-Tänze oder meditative Musik zu einer heilenden Veränderung beitragen wollen. Die Vielfalt der verschiedenen Aus-richtungen führt dabei keineswegs zu einer Beliebigkeit, vielmehr befruchten und ergänzen sich die Positionen trotz einzelner Differenzen an vielen Punkten gegenseitig. Das verbindende Element liegt neben der durchgängig idealisti-schen Ausrichtung zum einem im Bezug zum Dance Movement, also zur Techno-Kultur in unterschiedlichen Ausfor-mungen, sowie im zweifellos oftmals vagen, aber immer ernsthaften Bestreben ”to make the world a better place”.

  

TRANCE AND POLITICS

 

Den inhaltlichen Teil der Konferenz leite ich mit einem Vortrag ein, der von einem übergreifenden Ansatz ausgeht. ”Viele glauben, dass die Party-Kultur eine Insel sei, doch die meisten vergessen dabei, dass jede Insel von einem Meer umgeben wird...” Es geht mir dabei um eine Auseinandersetzung mit der selbstherrlichen Zufriedenheit in der sich viele aus den verschiedenen Szenen oftmals zurücklehnen, solange sie ”geile Musik, gute Drogen und viel Spa-aaß” haben und den eigenen Alltag einigermaßen regeln können. Alles andere scheint egal, doch spätestens wenn der Drogenfahnder vor der Tür steht oder Partys verboten werden wird klar, dass diese scheinbare Insel-Idylle eine Illusion ist. Dann ist es jedoch schon viel zu spät.

 

Prügelnde Polizisten auf politischen Party-Demos machen den symbolhaften Einfluss des Meeres auf die Inseln ge-nauso augenscheinlich deutlich, wie beispielsweise die Ego-Trips von DJs, die sich im Zuge der Kommerzialisierung wie Rockstars verhalten, oder die Parties in ”3. Welt”-Ländern, bei denen die eingeflogenen Party-Freaks vor lauter Verpeilung einfach ignorieren, dass einige Kilometer weiter entfernt Menschen hungern. Die Auflistung lässt sich beliebig fortsetzen, letztlich geht es um die aktive Anerkennung einer Verantwortung, die weit über die Party hinaus-geht: ”Manche Leute denken, dass Techno eine Insel sei - und sie öffnen die Augen und sie beginnen zu tanzen, nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch überall in den Straßen, in den Klassenzimmern, in den Büroräumen, in den Supermärkten, auf den Treffen der Weltbanken. Und Tanzen steht dabei für Veränderung, radikale Veränderung...”

 

Beispielhaft für die Ausrichtung des Gatherings bildet der anschließende Beitrag von Cinnamon Twist einen inhaltli-chen Gegenpol, der sich mit der Frage ”Kann Trance-Tanz den Planeten retten?” beschäftigt. Im Rahmen seiner Antwort beschreibt Cinnamon eine ”gemeinschaftliche psychedelische Trance als eine direktes Gegengewicht zur zerstörenden Selbstgefälligkeit der westlichen, technisch-industriellen Mega-Maschine, die wahnhaft alles tut, um den Planeten Erde zu zerstören.” Cinnamon bezieht sich dabei auf positive Energien, die durch den Tanz freigesetzt wer-den. ”Obwohl sie von unterschiedlichen Begriffen ausgehen, glauben viele Stammeskulturen, dass sie mit ihren rituel-len Tänzen etwas bewegen können. Sie sind notwendig, um die natürliche Balance aufrecht zu erhalten, um Regen herbeizurufen, um Krankheiten zu heilen, um die Dinge in Bewegung zu halten. Deshalb sind diese Tänze für sie heilige Tänze. Und im Grunde ist nicht nur die Form des Tanzes bzw. das, was die TänzerInnen damit verbinden, heilig. Heilig ist vor allem das, was sie damit erzeugen: eine kollektive Energie.”

 

Diese Energien lassen sich Cinnamons Verständnis zufolge auch in der heutigen Zeit nutzen: ”Zweifellos haben wir keine Tradition derartiger heiliger Tänze mehr. Wir haben keine Tänze, die von einer derartigen Intention oder einem vergleichbaren gemeinschaftlichen Gefühl getragen sind. Was wir haben bzw. wonach wir letztlich streben, ist eine grundlegende Einstellung, die alles durchzieht, wenn wir für unsere Feiern zusammenkommen: Frieden - Liebe - Ge-meinschaft - Respekt. Und das ist nicht wenig für einen Anfang, auch wenn es leicht missbraucht werden kann. Es liegt an uns, ob gelingt, kollektive Energien freizusetzen, die zur Heilung der Erde beitragen ...”

  

DER KRIEG GEGEN TERROR, DROGEN UND PARTYS

 

Mehrere Vorträge und Workshops auf dem Gathering setzen sich mit dem ”War on Drugs” auseinander, der inzwi-schen auch zu einem Feldzug gegen das Dance-Movement wurde. Der ”Krieg gegen Drogen”, den die us-amerikanische Regierung ganz offiziell unter dieser treffenden wie auch entlarvenden Bezeichnung führt, hat eine lange Geschichte. In den westlichen Kulturen wurden und werden beständig bestimmte Substanzen als Drogen ver-boten, wobei der Umstand, dass darunter in einigen Regionen zeitweise auch einmal Alkohol, Tabak und Koffein fielen, eine gewisse Beliebigkeit schnell deutlich macht. Die Verbote der Substanzen bzw. die Verfolgung der Produ-zentInnen und der KonsumentInnen hängt dabei keineswegs nur mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen schädli-chen Wirkung zusammen, sondern war schon immer mit wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen verknüpft. Letztlich lenkt die Überbetonung der Drogenproblematik von den eigentlichen inneren gesellschaftlichen Problemen ab, die wechselwirkend wiederum auch entscheidend zum zerstörenden Gebrauch von Drogen beitragen. Sie wird zudem genutzt, um die politische und auch militärische Einflussnahme auf andere Länder, sowie die Repression un-angepasster Minderheiten im Innern, zu rechtfertigen.

 

Die Größenordnung des ”War on Drugs” machen einige Statistiken schnell deutlich. Die Vereinigten Staaten haben als vermeintliches Land der Freiheit im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit die höchste Zahl an Gefängnissinsas-sen, wobei ein Großteil im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurde. So kommt es jährlich zu rund 5 Millionen Verhaftungen auf Grund von Drogendelikten, wobei über 2 Millionen Menschen in Folge wegen Verstößen gegen Drogengesetze verurteilt und inhaftiert werden. Besonders betroffen ist dabei die afroamerikanischen Bevölkerung, was die noch immer in weiten Teilen rassistische Ausrichtung der Rechtsprechung deutlich macht. 1969 flossen von Seiten der damaligen Nixon-Regierung rund 65 Millionen Dollar in den Krieg gegen Drogen, 1999 unter Clinton war es die kaum vorstellbar hohe Summe von 17,7 Milliarden Dollar, die unter Bush weiter gesteigert wurde.

 

Die Terroranschläge des 11. September 2001 werden gezielt genutzt, um den ”War on Terror” mit dem ”War on Drugs” zu verknüpfen. Medienwirksam setzt inzwischen US-Präsident George Bush Drogenkonsum mit einer Unter-stützung des Terrors gleich. ”Ich werde ständig von Jugendlichen gefragt, welchen Beitrag sie zum Krieg gegen den Terror leisten können. Nun, wichtig ist, sich gegen illegale Drogen zustellen. Wenn Du in den USA Drogen kaufst, dann ist das so, als würdest Du direkt eine Terror-Organisation unterstützen.”

 

Die entsprechende Politik richtet sich auch direkt gegen das Dance-Movement. So kam es zu einer von Teilen der Medien und einflussreichen PolitikerInnen getragenen Kampagne, die Techno mit Drogenkonsum gleichsetzt. Regie-rungsbehörden organisierten in diesem Sinne vorgeblich wissenschaftliche Konferenzen bei denen Techno-Partys mit den sogenannten Crack-Houses gleichgesetzt wurden, in denen Crackabhängige bzw. Crack-Dealer leben. Dieser Definition zufolge sind Partys und Raves Veranstaltungen, die vorrangig dazu dienen mit Drogen zu handeln bzw. diese zu konsumieren. Inzwischen wurden in einzelnen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die VeranstalterInnen für den Konsum von Drogen auf ihren Partys direkt verantwortlich zu machen. Zu Teil macht man sich schon als nichtkonsumierender Party-Gast strafbar, wenn auf der Veranstaltung illegale Drogen gebraucht werden. Auf diesem Wege soll eine auch in den USA stark angewachsene Jugendkultur, die nicht den puritanischen Wertvorstellungen entspricht, unter Kontrolle gebracht werden.

 

Welche bizarren Ausformungen die Drogenhysterie annehmen kann, zeigt ein Prozess, in dem die Bürgerrechtsverei-nigung American Civil Liberties Union (ACLU) gegen den Bundesstaat Louisiana klagte. Dieser hatte Rave-VeranstalterInnen angewiesen den Party-Gästen das Tragen von Masken und den Gebrauch von Glühstäben zu untersagen, da diese Utensilien angeblich in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy stehen. Während die meisten VeranstalterInnen den Auflagen nachkamen, formierte sich in der Szene Protest, der in der Forderung ”Fight for right to glow! - We’re gonna glow like we never glowed before!” einen ironischen Ausdruck fand. Der Prozess endete mit einem Erfolg der ACLU, den Bundesbehörden wurde untersagt, ohne rechtliche Grundlage auf lokale Rave-VeranstalterInnen hinsichtlich eines Verbotes von ”dekorativen Utensilien” Druck auszuüben.

 

Die Diskussion über Wege des Protests und Widerstands gegen die repressiven Entwicklungen ist auf dem Gathering allgegenwärtig. So trägt Scott Ehlers von der Campaign for New Drug Policies einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, der dazu beitragen soll, das Image der Techno-Kultur von einer Reduzierung auf Drogen und Kriminalität zu lö-sen. Das Ziel ist die Vermittlung eines Bildes einer Jugendkultur, die auf Werten wie Gemeinschaft und Gewaltlosig-keit basiert und sich auch über einzelne Projekte für das Wohl der Gesellschaft einsetzt. Das Future-Tribe-Project aus Florida beschreibt seine Kampagne ”I rave and I vote” mit der Jugendliche angeregt werden sollen, sich an den Wah-len zu beteiligen und einen Umschwung zu bewirken. Eine Gegenposition liegt im Ansatz den Underground zu stärken und sich dabei auf Strukturen zu konzentrieren, die von staatlichen Institutionen nicht angegriffen werden können. Ganz praktisch informiert daran anknüpfend ein Anwalt, welche Rechte gegenüber Polizeikontrollen bestehen. Leute vom Rainbow-Gathering berichten zudem über die Möglichkeiten sogenanntes Public-Land zu nutzen, das der Allge-meinheit gehört. Später betonen Mitglieder von DanceSafe und MAPS daneben die Bedeutung einer objektiven Auf-klärung über Drogen innerhalb der Techno-Szene und der Notwendigkeit von übergreifenden Forschungsprojekten.

  

SOZIALARBEITER, DJ-EGOS UND ZEN-KATZEN

 

Mehrfach führen einzelne Diskussionen über die Frage nach der Finanzierung alternativer, sozial ausgerichteter Pro-jekte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Sozialarbeit. Übereinstimmung besteht darin, dass eine Ausweitung sozialer Projekte und die entsprechende Bereitstellung öffentlicher Gelder unbedingt nötig ist. Aufge-zeigt wird aber auch immer wieder der innere Konflikt vieler Projekte, die meist hauptsächlich auf Probleme konzent-riert sind, diese geradezu suchen bzw. sich darüber rechtfertigen müssen, um von öffentlicher Seite Gelder zu erhal-ten. Gleichzeitig werden oftmals nur Symptome angegangen, während die eigentlichen Ursachen von Erscheinungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit, die neben individuellen Faktoren zu einem beträchtlichen Teil in einem vor allem auf Profit und Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaftssystem liegen, zumeist nicht aufgezeigt werden. Oftmals setzt die Zensurschere schon im Kopf an, um das Projekt bzw. den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

 

In der Diskussion wird der Realität einer notwendigen, allerdings vorrangig problemorientierten Sozialarbeit das Bild des ”positive space” gegenübergestellt. ”Wenn es im weitesten Sinne Räume gibt, in denen sich die Menschen selbstbestimmt und gemeinschaftlich entfalten können, in denen ihnen beigebracht wird, sich auch einmal selbstkri-tisch zu reflektieren,”, so Theo in einer Diskussionsrunde, ”dann werden viele Probleme automatisch wegfallen bzw. sie treten überhaupt nicht mehr auf.”

 

Ein weiterer Aspekt, der in vielen Diskussionsrunden immer wieder angesprochen wird, ist die Rolle der DJs. Ausge-hend von einer Abkehr vom jeglichem Starkult stand der DJ in seiner Wichtigkeit ursprünglich auf einer Ebene neben den TänzerInnen auf der Dancefloor oder den Leuten aus der Deko-Gruppe. Die Rollen waren sogar austauschbar beziehungsweise sollten bewusst austauschbar sein, denn im Mittelpunkt stand das gemeinsame Feiern als ein Aus-druck eines anderen Lebensweges. Von wenigen Ansätzen abgesehen sind diese Zeiten jedoch auch bei alternativen Partys vorbei. Längst haben die DJs die Rolle eingenommen, die über Jahrzehnte hinweg der Lead-Singer einer Rockband hatte.

 

Für viele Personen außerhalb der Szenen ist nur schwer nachvollziehbar, dass ein DJ selbst zum Musiker werden kann. Er ist dabei nicht nur für die musikalische Atmosphäre einer Nacht verantwortlich. Im Idealfall entsteht aus zwei oder drei Schallplatten, die ineinander gemixt werden, ein neuer Track. Die Samples, Sounds und Loops werden zu DJ-Tools, zu Werkzeugen und Materialien der DJs, die immer wieder in unterschiedlichen Betonungen und Ge-schwindigkeiten neu zusammengesetzt werden. Dieses Verständnis von Dekonstruktion und Neugestaltung ist jedoch immer seltener anzutreffen, meist begnügen sich die DJs inzwischen auf möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Stücken.

 

Mit der steigenden Popularität einzelner DJs ist in vielen Projekten die Frage der Kommerzialisierung und des Selbst-verständnisses der DJs verbunden. Nachdem es anfangs noch ein Vergnügen und eine Ehre war auf einer Party aufzulegen, sprechen viele DJs dann bald vom ”Arbeiten” oder oftmals auch mit einer gewissen Überheblichkeit de-monstrativ davon, gebucht zu sein. Kritisiert wird vor diesem Hintergrund zudem die scheinbar unkritische Auswahl der Auftrittsorte von Seiten vieler alternativer DJs. Dabei wird jedoch deutlich, dass die DJs keineswegs zwangsläufig ihre ursprünglichen Ideale plötzlich verraten haben und ”kommerziell” geworden sind, vielmehr setzt eine nur schwer steuerbare Eigendynamik ein. Um sich noch mehr auf die Musik konzentrieren zu können, geben viele DJs nach ers-ten Erfolgen ihre alten Jobs auf, geraten dann aber in eine Abhängigkeit von Auftritten, um ihren Lebensunterhalt bestreitenzu können.

 

Ein anderes Diskussionsthema bildet das ”im Moment sein”. Mishou spricht davon, dass Katzen die wahren buddhis-tischen Zen-Meister sind, indem sie alles ausblenden können und tatsächlich den Moment leben. Während sie in einer sonnigen Ecke behaglich dösen, leben sie Zen ohne eine Vorstellung davon zu haben. ”Wie oft befinden wir uns dagegen in Situationen, die einfach an uns vorbeirauschen, die im Rückblick wie ein Augenblick erscheinen, weil wir uns nicht bewusst auf sie konzentrieren?”

 

Ein Anhalten im Sinne eines bewusstes Wahrnehmens des Momentes bzw. der entsprechenden Situation wirkt dem entgegen. Ein Ansatz kann bei geschlossenen Augen eine bewusste Konzentration auf die Geräusche sein, die uns umgeben, und davon ausgehend auf das, was gerade passiert. Dies bedeutet keineswegs ein Rückzug in eine esote-rische Innerlichkeit, so die durchgängige Einschätzung der Runde. Vielmehr steht es für ein Bewusst-Sein im eigentli-chen Sinne des Wortes. Dies bildet den Ausgangspunkt für ein Wahrnehmen von dem was uns umgibt und weiterge-hend für ein entsprechendes Handeln, nicht zuletzt auch in einem gesellschaftlichen Sinne.

  

GEMEINSCHAFTLICH LEBEN

 

Der zweite Konferenz-Tag ist der Frage nach den Möglichkeiten gemeinschaftlichen Zusammenlebens gewidmet. An mehreren Punkten tritt dabei die Frage nach dem ”next step”, dem nächsten Schritt, auf. Einige Gruppen, die mit ihren Projekten gewisse Erfolge und eine Kontinuität erreicht haben, berichten von den internen Diskussionen über eine tiefer gehende Weiterführung, die sich stärker auf die Gruppe als Gemeinschaft bezieht. Das Spektrum reicht dabei von Wohngemeinschaften über kommuneartige Projekte bis zu Kulturzentren.

 

Auf großes Interesse stößt das Projekt einer Gruppe aus Vancouver. In den letzten Jahren organisierte dort das My-corrhiza Collective verschiedene Partys, um mit dem Gewinn ein Landstück in Elaho Valley zu kaufen. Damit soll ein Beitrag zur Rettung des verbliebenen Regenwaldes in Kanada geleistet werden, der weiterhin in weiten Teilen von der Abholzung bedroht ist. Chris Hill von Mycorrhiza erklärt in diesem Zusammenhang die tiefere Bedeutung des Projekt-Namens: ”In den Regenwäldern leben die Bäume in einer symbioten Assoziation mit einer Vielzahl von Bodenpilzen zusammen, die als Mykorrhiza bezeichnet wird. Die Pilze umgeben die Wurzeln der Bäume, sie leben von ihnen und schützen sie gleichzeitig. Dieses Symbolik übertragen wir auf unsere Aktivitäten: Wir wollen ein energetisches Netz-werk im Untergrund aufbauen, das den Wald als Teil eines globalen natürlichen Organismuses stärkt.”

 

Das Gelände soll zur Basis eines Gemeinschaftsprojektes werden: ”Wir sind gerade dabei ein Camp in Elaho Valley aufzubauen. Es soll zum einen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf die Zerstörung dieses so wichtigen Regenwal-des und die Folgen zu richten. Zum anderen wollen wir von diesem Camp ausgehend ein Öko-Dorf errichten, das langfristig unabhängig bestehen kann und sich über Anbau von Nahrungsmitteln und eine eigene Energieversorgung selbst trägt. Langfristig setzen wir dabei auf Hanf als Rohstoff. Das Camp soll zu einer Anlaufstelle für Menschen werden, die von ähnlichen Ideen geleitet werden und mit uns dieses Projekt als eine Gemeinschaft in Einklang mit der Natur aufbauen wollen. Wir haben damit begonnen, weltweite Kontakte zu Personen und Organisationen zu knüpfen, um aus ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen zusammenzusarbeiten. Gleichzeitig wollen wir im Sommer eine Reihe von Veranstaltungen und Festivals durchführen. Im Anschluss werden wir als eine Art internationale Karawane, zu der alle Interessierten eingeladen sind, die Pazifik-Küste bis nach Südamerika hinunterziehen, um unsere Ideen weiterzutragen und mit den Menschen gemeinsam zu feiern.”

 

Im Anschluss spricht Sean Siple über die Erfahrungen der Farm, einer Großkommune in Tennessee, der rund 200 Personen angehören. Im Sinne eines Öko-Dorfes basiert sie auf ökologischen und basisdemokratischen bzw. ge-meinschaftlichen Prinzipien. Die Farm wurde 1971 im Anschluss an die Hippie-Ära gegründet, zu einem Zeitpunkt als ebenfalls die Frage nach dem nächsten Schritt gestellt wurde und teilweise mit dem Aufbau von kommuneartigen Gemeinschaften beantwortet wurde. Die meisten dieser Projekte scheiterten schon nach wenigen Jahren am Druck durch die umgebende Gesellschaft, sowie an ungelösten inneren Widersprüchen und zwischenmenschlichen Proble-men. Klar wurde dabei immer wieder, dass es nicht ausreicht sich in eine vermeintliche Idylle zurückzuziehen.

 

Notwendig ist dagegen ein Verständnis, das die Wechselbeziehungen zwischen der äußeren Gesellschaft und dem Leben in dem entsprechenden Projekt ausreichend berücksichtigt. Ebenso bedeutsam ist zudem eine ständige Ausei-nandersetzung mit den Prozessen innerhalb des Projektes bzw. mit der eigenen Persönlichkeit, so kräftezerrend es vordergründig sie auch sein mag. Denn genausowenig wie man zu einem völlig anderen Menschen wird, wenn man auf eine idealistische Party geht, auch wenn vielleicht viele Alltagsbelastungen zurücklassen werden, so wenig wan-delt sich eine Person von einem auf den anderen Tag, wenn sie sich einer Kommune anschließt. Das Überwinden von überzogenen egozentrischen Verhaltensstrukturen ist ein ebenso notwendiger, aber auch langer Prozess wie die Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzdenken oder sexistischen Einstellungen. Aufbrechen lassen sich diese Strukturen nur, wenn sie ständig hinterfragt und angegangen werden, so beispielsweise in angeleiteten Gesprächs-runden in denen offen über die Entwicklungen der Gruppe bzw. der einzelnen Personen gesprochen wird.

 

Sean beschreibt die Bedeutung derartiger Prozesse am Beispiel eines Problems innerhalb der Farm, das diese fast zum Scheitern gebracht hätte. Der Gründer der Kommune nahm lange hinweg eine besondere Stellung innerhalb des Projektes ein, die allgemein respektiert wurde. Nach einigen Jahren verselbstständigte sich jedoch diese Position, aus dem Bezug auf eine charismatische Leitfigur war eine hierarchische Struktur geworden, die dem eigentlichen basis-demokratischen Anspruch völlig entgegenstand. Nur im Rahmen eines längeren, zähen Prozesses konnte dieser Zustand inzwischen zugunsten einer Verteilung von Verantwortung überwunden werden.

 

Der zweite Teil der Ansprache von Sean ist von einem Appell an die TeilnehmerInnen des Gatherings geprägt, sich ihrer Verantwortung für die Zukunft des Planeten Erde bewusst zu sein und diese auch weitergehend auszufüllen: ”Ihr habt eine Aufgabe, eine Mission. Vielleicht seid ihr die letzte Generation, die noch etwas verändern kann, danach mag es schon zu spät sein, um die ökologische Katastrophe aufzuhalten. Ich habe hier auf dem Gathering von beeindru-ckenden Projekten gehört, habe mit wunderbaren Menschen gesprochen. Verbreitet Eure Ideen weiter, lebt sie, teilt Eure Erfahrungen, tragt Eure Liebe weiter, liebt... Es liegt an Euch, doch ich spreche nicht von Euren Recht oder von einer Verpflichtung, es ist Eure Entscheidung, die ihr treffen müsst!”

  

VERBINDENDE RITUALE

 

Mehrere gruppendynamische Workshops auf dem Gathering haben zum Ziel ganz praktisch zwischenmenschliche Barrieren abzubauen und Prozesse innerhalb von Gruppen deutlich zum machen. So laufen bei einer Übung alle Anwesenden, zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Personen, in Kreis. Nach einem Stop-Zeichen soll jede Person an-halten und der Person, die ihr am nächsten steht in die Augen schauen, und sich zum einen ihre positiven Energien, sowie im Anschluss bei anderen Person deren Ängste und Aggressionen vorstellen. Deutlich wird dabei insbesondere wie schwer es fällt einer andern Person in die Augen zu schauen, nicht wenige schließen zeitweise die Augen oder beginnen nervös zu reagieren. In einigen Fällen entsteht jedoch durch den so tiefen Blickkontakt und die gegenseitige Bereitschaft sich emotional auf den andere Person einzulassen eine zuvor völlig unerwartete gefühlsmäßige Verbin-dung.

 

Der dritte Tag der Konferenz wird von einem Ritual eingeleitet. In der zuvor meist hell erleuchteten Konferenz-Halle flackert nur eine lange Reihe von Teelichtern. Alle Eintretenden müssen ihre Schuhe ausziehen und die Gespräche beenden. Dann werden die Anweisungen für das Ritual schriftlich zusammengefasst verteilt. Zuerst sind darin ver-schiedene Meditationsübungen beschrieben, später soll sich jede Person auf einen tiefen Wunsch konzentrieren und ihn visualisieren. Die Stärke dieses Rituals liegt in dem atmosphärischen Bruch zu den aufwühlenden und eher nach außen gerichteten Tagen zuvor. Unmittelbar entsteht ein Gefühl innerer und äußerer Ruhe. Insbesondere durch die Meditationen wird es nocheinmal verstärkt möglich sich auf sich selbst zu konzentrieren. Eine anschließende Chakra-Meditation greift diese Atmosphäre auf und ermöglicht ein weiteres Hineingleiten in den eigenen Körper. Inwieweit sich die Teilnehmenden auf diese Übungen und die spirituellen Hintergründe einlassen, bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Wesentlich für die Einzelnen wie auch für das Gathering als Ganzes sind vielmehr die Energien, die kon-zentriert bzw. freigesetzt werden.

 

Einen Höhepunkt des Gatherings bildet dann der Ecstatic-Dance-Workshop, der von Techno-Rhythmen untermalt wird. Die Anweisungen der Workshop-Leiterin hinsichtlich bestimmter Bewegungen und Körperhaltungen werden jedoch von den meisten nur Anfangs befolgt. Schon nach kurzer Zeit tanzen die rund 50 TeilnehmerInnen wild durch den Raum, durcheinander springend, hüpfend, teilweise schreiend. Es entwickelt sich eine Atmosphäre in der alle genau so tanzen können, wie sie es gerade wollen, ohne dass sie deshalb jemand kopfschüttelnd anschaut. Im Ge-genteil, wer sich fallen lassen will, kann dies tun, im sicheren Gefühl von der Gruppe aufgefangen zu werden. Es ist in diesen Momenten regelrecht spürbar wie innere Blockaden und angestaute Energien zumindest für die Zeit des Tan-zes aufgebrochen werden. Am Ende bilden die Beteiligten mit ihren Körpern ein kreisartiges Gebilde. Alle drücken sich aneinander, summen, rufen, schreien ekstatisch, die meisten ausgefüllt von einem Gefühl des Glücks.

 

Gerade die Verbindung von theoretischen Informationen, leidenschaftlichen Diskussionen und auch körperlich-emotionaler Nähe macht die Stärke des Gatherings aus. Von Anfang an prägt eine Atmosphäre der Offenheit in der es problemlos möglich ist, eine Person anzusprechen und mit ihr über Ideale und Ideen wie auch über persönliche Erfahrungen zu sprechen. Zudem vermittelt die Vielfalt der Tribes und ihrer zum Teil wegweisenden Projekte ein Ge-fühl der Hoffnung in einer ansonsten in Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen meist äußerst de-primierenden Welt. Nicht zuletzt entwickelt sich insbesondere über die gruppendynamischen Übungen und die Rituale eine gefühlsmäßige Nähe, die ansonsten im Alltag kaum einmal erfahren werden kann. Zum Teil geht diese Nähe so tief, dass einzelne Personen anfangen zu weinen oder sich zeitweise zurückziehen, da sie diese Intensität nicht ertra-gen konnten. So nehmen die TeilnehmerInnen über die inhaltliche Ebene hinaus vor allem ein Grundgefühl der Mög-lichkeit und der Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung mit nach Hause.

  

THE MOON INSIDE

 

Den Abschluss des Gatherings bildet eine Open-Air-Party, die im wesentlichen von Mitgliedern des Moontribes orga-nisiert wird. Die 1993 gegründete Gruppe genießt inzwischen in der Dance-Community weiter Teile der Vereinigten Staaten geradezu Kultstatus. Bekannt wurde der Moontribe durch seine Full-Moon-Partys in der Wüste der weiteren Umgebung von Los Angeles. Die auf Non-Profit-Basis durchgeführten Partys verzichten meist bewusst auf Werbung, wie auch auf Verkaufsstände aller Art, Dekoration und Beleuchtung. ”Der Mond und die Sterne sind unsere Lightshow” führt Dallas dazu aus, um dann auf das Selbstverständnis Moontribes einzugehen. ”Es gehört zu unseren wichtigsten Zielen unsere Integrität zu wahren und uns kommerziellen Bestrebungen zu verschließen. Wenn Du an einer unserer Partys teilnimmst, wirst Du selbst zu einem Teil des Moontribes, Du hast genauso Verantwortung für den Ablauf der Party, bist genauso verantwortlich für deren Atmosphäre, wie alle anderen.”

 

Innerhalb des eigentlichen Tribes sind Hierarchien auf ein pragmatisches Minimum reduziert. Die wesentlichen Ent-scheidungen werden von Konsensprinzip ausgehend gemeinsam getroffen. Den Kern bildet das Council, dem meist 13 Personen angehören, um dieses herum hat sich das sogenannte Collective gebildet, das aus Leuten besteht, die sich in irgendeiner Weise einbringen, aber nicht zum Kern gehören wollen. Die Moontribe-Community wird wiederum von denjenigen gebildet, die zu den Full-Moon-Partys kommen.

 

Die Party-Nacht an sich verläuft in Anbetracht der hohen Erwartungen jedoch lange eher enttäuschend. Rund drei Stunden dauert es, bis man von Los Angeles aus endlich den angestrebten Platz in der Wüste gefunden hat, da die erst am Abend verteilte Wegbeschreibung einige kleine, aber folgenschwere Unklarheiten aufweist. Dort erweist sich die steppenartige Hügellandschaft mit ihrem eisigen Wind sofort als äußerst unwirtlich. Vom Parkplatz aus ist dann noch einmal ein längerer Fußmarsch nötig, um dann endlich ein überdachtes DJ-Pult zu erreichen. Die unverständli-che Reduzierung auf nur zwei Boxentürme verhindert die für das Tanzen so wichtige umschließende Beschallung, so dass sich die meisten direkt von dem DJ zwischen den Boxen eher frierend als tanzend drängelten. Es ist einer dieser Momente, in denen man sich zweifelnd fragt ”Was mache ich hier eigentlich?”.

 

Am Morgen wandelt sich jedoch die Atmosphäre schlagartig. Mit der Temperatur ändert sich auch die Stimmung und es wird endlich möglich, ein Gefühl für den Raum zu erhalten. Im Laufe des Tages wird dann auch verständlich, dass die Reduzierung einen wesentlichen Teil des so eigenen Charakter der Moontribe-Partys ausmacht. Wüste, Musik bzw. Tanz und Gemeinschaft sind dabei die zentralen Faktoren und nicht etwa ein bekannter DJ oder eine überfrach-tete Dekoration. Insbesondere die Kargheit der Landschaft und die aufsteigende Sonne können dabei ein Gefühl der inneren Klarheit erzeugen.

 

Die Musik wird von den DJs der am Gathering beteiligten Projekte bestimmt und umfasst ein entsprechend weites Spektrum elektronischer Musik. Daneben entstehen an verschiedenen Stellen immer wieder Trommelsessions, teil-weise die Musik auf der Tanzfläche begleitend, dann in einem angemessenen Abstand einen eigenen Rhythmus findend. Es ist charakteristisch, dass sich einige TänzerInnen völlig ausziehen, ohne dass ihnen in ihrer Nacktheit jemand eine übertriebene Aufmerksamkeit schenkt. Es ist ein genauso selbstverständlicher Teil der Party, dass sich auf dem Dancefloor immer wieder Tanzende an den Händen nehmen und einen Kreis bilden, der sich an einer Stelle öffnet, um spiralförmig ineinander zu gehen und sich danach wieder aufzulösen. Derartige Elemente sind Ausdruck eines Gefühls der Offenheit und der Gemeinschaftlichkeit, das ansonsten in der Party-Szene trotz aller Beschwörun-gen von ”Love and Unity” nur selten zu finden ist. Den Ausklang bilden am späten Nachmittag Golden Buddha, eine psychedelische Rockband, deren scheinbar endlose Improvisationen sich irgendwann im Nichts auflösen und die letzten Anwesenden noch einmal auf eine ganz eigene Reise nehmen.

 

Schnell deutlich wird für mich jedoch auch, dass bestimmte Rollen und Verhaltensklischees, die ich von vielen Partys in Deutschland und anderen Ländern kenne, auch hier zu finden sind. Eine geradezu globale Erscheinung ist der Freak, der in Gesprächen und in seinem Outfit seinen vorgeblich so tiefen Bezug zu Goa unablässig zur Schau stellt und sich am liebsten mit ”wichtigen” Leuten für alle sichtbar direkt beim DJ unterhält. Ebenso bekannt ist die housige Frau, die so gerne eine Diva wäre, sich in dem Glauben gefällt, sie würde über allem stehen und doch völlig in ihren Eitelkeiten und Unsicherheiten verfangen ist. Dies betrachtend unterhalte ich mich mit Tibo über die Frage inwieweit wir beide selbst Rollen spielen, wo die Grenzen zwischen Authentizität und Übernahme liegen. Ohne diese Fragen abschließend zu beantworten, wenn dies überhaupt möglich ist, lassen wir uns nach einigen Stücken wieder in die Musik fallen.

 

Zur Mittagszeit erklimme ich dann einen der ”Hills”. Zusammen mit Susie verweile ich dort, betrachte aus der Ferne die Tanzfläche. Wir lassen unsere Gedanken in der Weite dieser beeindruckenden Landschaft schweifen bis sie sich wieder finden. Ich spüre bald, dass ich weitergehen muss, allein weiter hinauf klettern muss. Ein Plateau nach dem anderen lasse ich hinter mir, bis ich irgendwann an einen Platz gelange, an dem ich keinen Menschen mehr sehe, keinen Sound mehr höre. Ich genieße diese Atmosphäre, diese Energie. Schließe die Augen. Und beginne zu hören. Bewusst zu hören. Das Summen vorbeischwirrender Insekten, das Rauschen des Windes, den Klang der Wüste. Langsam steigen Gefühle auf, Befürchtungen und Hoffnungen verdichten sich, werden zu Bildern von dem was mög-lich ist, auch wenn es oft so unerreichbar scheint. Traumhafte, unwirkliche, reale Bilder ausgefüllt von den Energien des Gatherings. Die Sterne sind erreichbar, aber nur wenn wir es wirklich wollen...

 

Wolfgang Sterneck (2001)

www.sterneck.net

 

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So this has been my breakfast every morning for the past week. Rice krispies covered in sliced strawberries and blueberries. A yogurt and mandarin orange fruit cup with a glass of OJ. Lastly there's this nice cranberry-orange breakfast pita that I found at Sobeys that I put some triple fruit jam on. Pretty tasty and sizable breakfast, but I'm not nearly as hungry in the mornings as I used to be!

 

Shot with my D90, 85mm f/1.8D with my SB600 bouncing off the ceiling

All things are possible with enough time, money, code, and/or beer.

 

Is it wrong that I built a Sobeys on my Minecraft Server? Oh well, it has Zombies. Clean-up in Aisle 3.

Sobey's recently acquired the Canadian assets of Safeway. These shots were taken a few days before this store on Albert Street South in Regina was coverted virtually overnight into a Co-op supermarket. It was one of a handful of stores that were sold off by Sobey's as part of a regulatory decision. Before conversion it featured old 1950's-style checkout stands that used a rotary turtable design. The store interior was clean but not up to then-current Safeway standards. Alas, the vintage neon street sign was also lost, replaced by a generic looking Co-op sign.

In 2014, Saskatoon Co-op bought a Safeway store from Sobeys after it was required to sell 23 stores after acquiring the assets of Canada Safeway. As of this year, the store's front entrance is going through a transformation. Before this transformation, there were a total of five doors for each direction (entrance, exit... and four doors from the front for each direction and one towards the back of the store. The old doors were from Stanley Access Technologies while the newer doors are NABCO Entrances.

en.wikipedia.org/wiki/Touton

 

"The Rooms" is Newfoundland's premier and world class art and history museum. It is architecturally stunning, and its displays, exhibits and collections are all thoughtful, engaging, and fascinating. We were thrilled to see the Sobey Family Collection on display - world class and thought-provoking on its own. It knocked our socks off! It's not only what's inside that is astounding, the museum has many stunning views through their gigantic windows We ended our visit to St. John's with a walk back to our hotel to collect our luggage, head to the airport, then back home to Calgary. Flights these days seem to be getting worse and worse. We got home quite delayed, but thankfully on the day we had actually planned to. We were hoping to not have to overnight on route due to delays, it wouldn't have been fun. But we were spared!

  

www.therooms.ca

 

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St. Mellion Golf Club's Monday Moaners Roll-Up Xmas Roll-Up and Lunch was held on the Kernow Course.

 

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To view the rest of my Photography Collection click on Link below:

www.flickr.com/photos/nevillewootton/sets

 

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Photography & Equipment sponsored by my web business:

www.inlinefilters.co.uk

 

We are UK's leading Filter Specialists, selling online to the Plant, Agricultural, Commercial Vehicle and Marine Industries.

 

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PLEASE NOTE: I take Photographs purely as a hobby these days so am happy to share them with anyone who enjoys them or has a use for them. If you do use them an accreditation would be nice and if you benefit from them financially a donation to www.sightsavers.org would be really nice.

 

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In 2014, Saskatoon Co-op bought a Safeway store from Sobeys after it was required to sell 23 stores after acquiring the assets of Canada Safeway. As of this year, the store's front entrance is going through a transformation. Before this transformation, there were a total of five doors for each direction (entrance, exit... and four doors from the front for each direction and one towards the back of the store. The old doors were from Stanley Access Technologies while the newer doors are NABCO Entrances.

Former Sobey's supermarket

Ancien supermarché Sobey's (Lévis QC)

Opened a President's Choice Condensed Milk to find it weirdly brown. I thought I had bought it last week so looked up the receipt in recycling. The receipt from from Sobeys, so check my cupboard and found the Compliments Sweetened Condensed Milk. Checked the expiry date on the PC one and found it was 2008. No wonder it was brown. I did taste test it before I realized it was well past it's best before date. Hope I don't get sick.

Safeway Lougheed Town Centre mall

 

Standard Safeway basket for a Safeway Canada store. They may use the same model at US stores but I can't recall.

 

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Please do not use this photo or any part of this photo without first asking for permission, thank you.

 

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TheTransitCamera on Blogger and YouTube

  

RIVER RED GUM - HOWLONG - 1155cm circumference at 1.3m above ground

"I found this tree when on duty as a WIRES rep during the widening of the Howlong to Victoria road. I managed to prevent the felling of two big old gums, pruning them back instead. This part of the roadworks took nearly a week - was only able to help a few possums stunned in fall - no Koalas present. I took a walk one lunch break across a paddock on the 'island' on the eastern side of the road up to the billabong where I came across this monster tree. The Border Mail came for a photo and I have an enlarged copy on the wall at home.

Note: Scanned version of a photo by Simon Dallinger provided by entrant.

Safeway Lougheed Town Centre mall

 

Standard issue tan Unarco shopping cart seen at Safeway.

 

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Please do not use this photo or any part of this photo without first asking for permission, thank you.

 

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TheTransitCamera on Blogger and YouTube

  

 

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St. Mellion Golf Club's 2014 Ladies Captain's Day was hosted by this year's Lady Captain Sue Poole. A full entry with two and a half hours of tee times kept Sue extremely busy. And to keep all those golfers going Sue's husband Alan and daughters Amy & Alice were on hand to dish out free drinks and snacks at the Halfway House. A pleasant if breezy day created a stern test for the lady members. After freshening up the ladies enjoyed tea and cake in the St. Piran Suite followed by presentation of prizes. Well done Sue, a great day.

 

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PLEASE NOTE: I take Photographs purely as a hobby these days so am happy to share them with anyone who enjoys them or has a use for them. If you do use them an accreditation would be nice and if you benefit from them financially a donation to www.sightsavers.org would be really nice.

 

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Ville-Marie, Sherbrooke, Nord, 1379 rue Sherbrooke ouest, Montréal.

 

L’œil, Sculpture en Bronze

Don de l'artiste et des employés du Musée des beaux-arts de Montréal dans le cadre de la Campagne 2008-2012

David altmejd

Né à Montréal en 1974, David Altmejd obtient son baccalauréat de l’Université du Québec à Montréal en 1998 et sa maîtrise en beaux-arts de l’université Columbia (New York) en 2001. Il participe à la 8e Biennale d’Istanbul en 2003, à la Biennale du Whitney en 2004, à la première édition de la Triennale d’art québécois, tenue au Musée d’art contemporain de Montréal (MACM) en 2008. Il représente le Canada à la 52e Biennale de Venise en 2007 et reçoit en 2009 le prix Sobey. Plusieurs musées canadiens et étrangers ont acquis des œuvres de lui, notamment le MACM, le Musée des beaux-arts du Canada, le Musée des beaux-arts de l’Ontario, le Musée des beaux-arts de Montréal, Les Abattoirs de Toulouse, le Solomon R. Guggenheim Museum de New York, le Whitney Museum of American Art de New York, le Museum of Contemporary Art de Los Angeles et le MUDAM Luxembourg (Musée d’art moderne Grand-Duc Jean). En 2015, Altmejd est fait Compagnon des arts et des lettres du Québec et le MCAM tient une importante rétrospective de son œuvre. David Altmejd vit et travaille à New York.

artpublicmontreal.ca/oeuvre/loeil/

 

Pizzas in Pictou County, Nova Scotia use a distinctive brown pizza sauce, and now they're selling the brown sauce in Sobey's. Pasta sauce too, it looks like.

This is a map of Bridlewood Mall I created showing its anchor stores in the 1990s using what I could find about the anchors. The change in anchors was in 1990 when Towers was bought into Zellers. More changes came in 1998 where Kmart closed, and Zellers relocating to the old Kmart store. (The Towers/Zellers would turn into mall space.) Food City (Owned By Oshawa Group) rebranded as Price Chopper when Oshawa Group was bought by Sobey's.

NOTE: A&P may have been renamed during this time.

Earlier this year, the Sobeys store at Varsity Common in Saskatoon began a renovation and expansion. The renovation and expansion involved building a new entrance to the store, as well as a new vestibule/lobby/foyer. In order to accommodate this, one of the existing sets of doors from STANLEY Access Technologies were relocated and a temporary entrance was created. That temporary entrance is no longer required and has since been dismantled. Here lies the door parts.

Sobey's recently acquired the Canadian assets of Safeway. These shots were taken a few days before this store on Albert Street South in Regina was coverted virtually overnight into a Co-op supermarket. It was one of a handful of stores that were sold off by Sobey's as part of a regulatory decision. Before conversion it featured old 1950's-style checkout stands that used a rotary turtable design. The store interior was clean but not up to then-current Safeway standards. Alas, the vintage neon street sign was also lost, replaced by a generic looking Co-op sign.

The Cumberland Square Safeway store in Saskatoon originally opened in 1964, and has gone through minor renovations over the years. Eventually, Sobeys Inc. acquired Canada Safeway and was required to sell a number of locations to competitors in order to complete the purchase. This store, however, wasn't required to be sold. However, the lease to this store comes to an end soon, and a Sobeys store is across the street. With the costs associated with renovating this store, the decision was made to close this store. Logically, you'd expect the store located at 3310 8th Street East to be listed as an alternate location, but that store was sold to Federated Co-operatives Limited as part of the deal to acquire Canada Safeway. The store located at 3310 8th Street East will turn into a Co-op store as part of the sale.

 

This store was unique in Saskatoon because the inside reveals that it is a marina-style store, but the outside doesn't. The other store that resembles this type of store can be found at 302 33rd Street West.

Kettering, March 1st 2007

 

I think that, with the exception of my family, Paul is the person I’ve known longest amongst the motley collection that makes up this yearbook – a title he pips Jim to the post by with about 2 months to spare. The fact that we’ve remained friends this long, despite not going to the same schools, colleges or ever working together should illustrate that we have a fairly robust friendship. I feel that biggest compliment I could pay Paul would be that his mind has no horizons, as many people’s do. There’s almost nothing he can’t philosophise about or contemplate and theorize upon, usually with a fair degree of insight as well. We often sit up late into the night, accompanied only by some single malt scotch and a fine cigar or 2 and put everything in the world to rights. If only it would listen.

 

We were probably closest during our teenage years, when we lived 2 doors down from each other in the midlands. It seemed particularly that during school holidays we were never apart. We both got heavily into martial arts/fitness/spirituality and a whole host of other weird and wonderful stuff at that age when it’s very easy to be zealous about things. Coupled with the fact that we were often egging each other on/encouraging each other we soon became super fit and raised our consciousness to such a level that levitation was possible.

 

Either that or we spent lots of our time watching Chuck Norris films and driving round in Steve’s Mark I Escort with the roll cage and the sports exhaust – but then the profane is so often the neighbour to the sacred I find.

 

These days Paul and I often catch up on trips to the hills. He spends his working life managing extremely complicated network IT infrastructure for a large banking firm, and lives in what I can only politely describe as a bachelor pad in the town we grew up in, in the midlands.

 

This image was just crying out to be taken once Paul fulfilled a life-long promise to buy himself a hot-tub. It caused quite a stir when it was delivered, and has since become very popular with everyone Paul knows, and several people whom Paul hardly knows who often appear magically when the cover gets rolled back. The mystery lady in the background is just that – a mystery. Her identity cannot be revealed for the sake of embarrassment.

 

There’s a shot of Paul from the mid-90’s here, and an alternative yearbook shot here, plus there are countless snaps of him littered about my account.

 

www.photosmudger.com/

 

www.tmphoto.co.uk/

 

Miden has not one but two grocery stores! After the valu-mart there’s Dollo’s Foodland. Not sure about the history of this location. Based on the store’s design I’m sure it was an IGA at some point.

 

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St. Mellion Golf Club's 2012 Presentation Night hosted by Mens Captain Jonathan Behennah and Ladies Captain Geraldine Howley.

 

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Nico Williams was the winner of the 2024 Sobey Art Award

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