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kalt weht der Abendhauch

Der Mond ist aufgegangen

 

 

Der Mond ist aufgegangen,

die goldnen Sternlein prangen

am Himmel hell und klar;

der Wald steht schwarz und schweiget,

und aus den Wiesen steiget

der weiße Nebel wunderbar.

 

Wie ist die Welt so stille

und in der Dämmrung Hülle

so traulich und so hold!

Gleich einer stillen Kammer,

wo ihr des Tages Jammer

verschlafen und vergessen sollt.

 

Seht ihr den Mond dort stehen,

er ist nur halb zu sehen

und ist doch rund und schön!

So sind wohl manche Sachen,

die wir getrost belachen,

weil unsre Augen sie nicht sehn.

 

So legt euch denn, ihr Brüder,

in Gottes Namen nieder,

kalt weht der Abendhauch;

verschon uns, Gott, mit Strafen

und lass uns ruhig schlafen

und unsern kranken Nachbarn auch.

 

Matthias Claudius (1778)

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Uploaded on January 22, 2017
Taken on January 21, 2017