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Uferwege

Manchmal weiß ich echt nicht wie ich rendern soll. Kälter oder wärmer, rot- oder grünstichiger, harte oder weiche Kontraste. Wenn ein Bild fertig ist, dann ist das meist ok, aber wenn man nur einige leicht voneinander abweichende Bilder nebeneinander legt, dann wird es sehr schwierig, ist das eine schnell zu hart, das andere zu flach. Das sind meine Probleme wenn mir langweilig ist! Das sind übrigens alles 10-50€ Flohmarktlinsen! Ich wollte dem - im fotoaffinen Internet gerne postulierten - 'Charakter' alter Linsen auf die Schliche kommen. Apropos:

 

Wenn dem fotoaffinen Internet langweilig ist, und was wäre das mal nicht der Fall gewesen, dann werden in - an Perseveration erinnernder - stupider Regelmäßigkeit seit über zehn Jahren die immer selben Fragen und Problemstellungen wiedergekäut. Diese reichen von der Frage nach der richtigen Colourscience (Das ist was anderes als meine Bemühungen, ein Bild selber interpretieren zu wollen. Damit ist ein herstellerseitiges JPG-Defaultprofil gemeint, dazu später mehr) über die Problemstellung, ob es denn in der Portraitfotografie überhaupt zu ein Zuviel an Bokeh geben könne, bis zur ideologischen Glaubensschlacht, wann es mit den Megapixeln nun aber wirklich mal, endgültig genug sein müsse. Letztere wurde mit jeder neuen Kamera- und Sensorgeneration, bis auf den Wortlaut identisch, immer wieder neu ausgetragen. Lediglich die einzusetzende Zahl änderte sich mit den Jahren nach oben. Bspl: "Mehr als 8/12/24/42/50/100 MP kann eh keine Optik am FF-Sensor auflösen!" Oder: "Wer soll die dafür nötige Rechner- und Speicherinfrastruktur überhaupt noch bezahlen!" Oder: "6/12/24/42/50/100 MP, das ist ja dann nur noch ein Pixelshift von soundsoviel µm. Da rauschen einem die Bilder doch schon bei 400/800/1600/3200 ISO. Da wäre weniger mehr!" usw...usw... Einfache Menschen, einfache Freuden.

 

Die Streitigkeiten gingen meist zugunsten des übermächtigen Canonfanblocks aus. Alle anderen hatten sich nach und nach zurückgezogen, hatten sich wirklich um ein eigenes Leben oder Therapie bemüht gehabt bzw. schlicht ihr fotografisches Hobby weiter entwickelt, um der immer raffinierteren Technik auch in den eigenen Ansprüchen und Ergebnissen gerecht zu werden. Da lediglich DER Hersteller der Hersteller das Wettrüsten um immer bessere Sensoren und immer mehr Funktionen schlicht ignorierte und seinen Fans darüber wohl nicht nur langweilig wurde, sondern sie auch eine frustrierte Gereiztheit auszuhalten hatten - wir erinnern uns an die Sputnikschocks D850 oder A7rII f.f., kam es im Netz eben zu diesem ideologischen Runaway, einer ideologischen Resonanzkatastrophe. (Dazu sei noch zu erwähnen, dass Canon und Nikon Fanboys zwar seit jeher natürliche Feinde sind, sie allerdings gegen die neue Sonny Bedrohung zusammenzuhalten gelernt haben, denn ohne Pentaprisma fotografieren wirklich nur kulturlose Wilde, die kleine Kinder fressen und Frauen an den Haaren in die Höhle ziehen.)

 

Alles was andere Hersteller schon vor vielen Jahren an Technologie und Funktionen anzubieten begonnen, seien es nur Klappdisplays oder schon Raffinessen wie IBIS, Dual-Gain-Architekturen & BSI-Sensoren, aber auch reine Softwarepakete wie Pixelshift- & Panoramafunktionen bzw. HDR, ganz zu schweigen von der Überwindung des Spiegelkastens und des OVF, das habe gefälligst eh kein Mensch zu brauchen, das könne nämlich nur kaputt gehen und darüber erhöhe es die Fehlbedienungs- &Fehlerquote drastisch. Der Charakter und Spaß würden damit auch auf der Strecke bleiben! (Wer würde in seinem 911er schon ein automatisiertes DKG, eine elektrische Lenkung oder Wasserkühlung tolerieren? Gruselig! Dann gehe man lieber zu Fuss oder fotografiere mit dem Handy!) Im Gegenzug habe ein gelungenes Bild canonesk zu wirken, alle anderen haben sich gefälligst daran zu messen, besonders Nikon und vor allem aber Sony. Canon habe zwar auch nur drei diskrete Farbkänale zur Verfügung, da ist gar kein zusätzlicher Platz für beige auf einem Bayersensor, das sei so schon richtig, aber Canon wäre in der Lage die drei Grundfarben in Abhängigkeit der Szene, ihrer Beleuchtung sowie der Rasse und dem Gesundheitszustand etwaiger Modells virtuos zu mischen! Man nannte das Internetmem dann Skintones™ oder Colourscience™.

 

Während wir mit unseren fortschrittlichen IBISen, BSI-Sensoren und Schwenkdisplays in der Landschaft noch überlegt hatten, woher eine Canon Kamera eigentlich wissen könne, ob jemandem gerade übel sei oder er vielleicht sogar Fieber habe, woher die Kamera das Leuchtmittel in Abhängigkeit der Ethnie eines Modells denn so treffsicher einmessen könne und darüber sogar das (gerne fehlkalibrierte) Ausgabemedium des späteren Betrachters mit einzubeziehen im Stande wäre, um - an einer neutralen Farbwiedergabe vorbei - immer diese besten und stimmigsten aller Bilder auszuwerfen, nahm der Kult im Canonnetz schnell die befremdlichen Züge einer Religion, um nicht zu sagen der hl. Inquisition an. Natürlich war das nur ein narzisstisch gekränkter Akt der Verzweiflung, man war abgehängt und zehn Jahre ins Hintertreffen geraten! Schuld daran ist nur Sonny mit seinen Scheiß-Sensoren und seinen verfluchten DSLMs! Warum hätte nicht alles wie in der guten alten Zeit bleiben können, wo FF-Fotografie nur für Zahnärzte, Rotarier und andere G'spritze erschwinglich war. Auf einmal drängen junge Leute, am Ende noch Proleten in die Manege, die sich alles selbst beibringen und damit besser fahren, als unsere vergreisenden Weinkenner und Altsprachler.

 

Daneben gab es natürlich auch noch die Canon Linsen, die alle von einem bestimmten Einhorn (nämlich dem letzten, echt jetzt, kein Scheiß) in der Nähe des Schicksalsberges (Hier kann es aber schon sein, dass ich was verwechselt habe) bei Vollmond defäkiert worden seien und die ohne Ausnahme an den Innenseiten der Schenkel blutjunger, schuluniformtragender japanischer Lolitas poliert würden (Das stimmt wirklich!). Das gäbe den einzigartigen Look, das einzigartige Bokeh und wenn mal eine Zeisslinse wirklich besser war, dann war die eben schon gleich wieder zu scharf oder die Mikrokontraste einfach zu harsch. Da konnte einem DXO sagen was es wollte, nämlich dass in den allermeisten modernen Rechnungen nicht nur Edelzeiss und Sony, sondern sogar Billigsigma längst an DER Kultmarke vorbeigezogen waren.

 

So einen ideologischen Runaway gibt es aber auch bei Autos. VW hat einen unzerstörbaren, unverrückbaren Kultstatus, den sie sich teuer bezahlen lassen, obwohl ihre Autos weder mit der europäischen noch der asiatischen Konkurrenz überhaupt noch mithalten können. VW baut seit vielen Jahren schlecht verarbeitete, rückständige Motorentechnik (z.T. Rumpfmotoren aus den 80igern) beinhaltende Autos, die in keiner Werkstatt für ihre ausdauernde Zuverlässigkeit bekannt sind, deren vulgäre, gerne mal rumpeligen und knurrigen, viel zu zähen und noch viel dreckigeren Motoren unter den Ingenieuren allenfalls ein Naserümpfen provozieren. Trotzdem sind VWs wie Premiumprodukte bepreist und den häufigen Defekten und teuren Ersatzteilen zum Trotz sogar werthaltiger, als echte Qualitätsprodukte aus Japan. Darüber gewinnen sie auf mysteriöse Weise immer wieder die Vergleichstests der meisten Redaktionen. Augenscheinlich ist der viel zu teure, viel zu altbackene VW-Golf einfach die 5D unter den Autos? Wie das psychologisch wohl immer geht, frag ich als Generation-Golf-Kind nicht nur bei Canon, bei Apple oder bei Starbucks, sondern natürlich auch bei VW?

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Uploaded on October 2, 2019