Back to photostream

Dreht man um sich selbst?

Voller Tränen fragt sie mich:

„Ist das Leben nicht enttäuschend?“

„Ja, mein Kind. Es vergeht kein Moment an dem das Leben nicht eine Enttäuschung wäre. Mit jedem Atemzug geht immer eine Desillusionierung einher, denn kein Moment wird sein, der nicht mit der Ernüchterung endet, dass die Vorstellung des Moments wertvoller war als dieser selbst. Jedes Kennenlernen und jede Tat ist letztlich eine Niederlage. Auch dein Lieben ist in Wahrheit die Blendung eines Spiegels, hinter dem Verderbnis und Agonie steht.“

„Wenn es so ist, wieso machen wir dann weiter. Mit dieser Erkenntnis, warum leben Sie dann noch?“

„Mein Kind, im Grunde haben wir alle diese Ahnung von dem Bösen, diese Ahnung, dass all unser Treiben nur die Flucht vor einer von dem Universum eingefangenen Einöde ist, die ausgedörrt wurde von Angst und Verrat und irgendwann in Leere münden wird. Aber schauen wir in der Nacht hoch in den Himmel und sehen wir das Funkeln der Sterne, so umgibt uns am Abend jedes enttäuschenden Vormittages immer wieder aufs Neue diese kleine Hoffnung, dass morgen alles anders sein wird. Deswegen füllen wir jeden Tag mit Leben: weil wir daran glauben wollen, dass wir mehr sind als die Nichtigkeit des unaufhörlichen Sterbens, mehr als nur Verfall, weil wir glauben wollen an das Gute, dass wir erreichen können, wenn wir es nur versuchten. Und so ist jeder Tag nichts anderes als ein Versuch, ein Versuch es heute besser zu machen: die Fehler des Vortages vermeiden und den Vorsatz des Abends einhalten.“

„Und schaffen wir das?“

2,124 views
28 faves
15 comments
Uploaded on April 12, 2013
Taken on September 1, 2012