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BALTIC2019 - St Nicolas Kirche in Bad Wilsnack

Die Wunderblutkirche St. Nikolai ist eine evangelische Kirche in Bad Wilsnack in der brandenburgischen Prignitz und Wahrzeichen des Kurortes. Die Kirche war vom Ende des 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts ein Wallfahrtsziel von europäischem Rang, nachdem sich der Glaube an ein Hostienwunder im Jahr 1383 verbreitet hatte. Nach der Reformation zerstörte der erste evangelische Pfarrer von Wilsnack, Joachim Ellefeld, die angeblichen Wunderhostien, indem er sie 1552 vor Zeugen verbrannte. Damit entfiel der Grund für die Wallfahrten.

 

Als Offene Kirche ist die Wunderblutkirche heute täglich geöffnet. Ein Förderverein setzt sich für den Erhalt der Kirche als kultur- und kirchengeschichtliches Denkmal ein und organisiert unter anderem Wanderungen auf dem alten Pilgerweg Berlin–Wilsnack. In der Hansestadt Lübeck erinnert das Kleverschusskreuz, ein Wegekreuz aus dem Jahr 1436, an die Pilger, die sich von dort auf den Weg nach Wilsnack machten. Ein weiteres Wegekreuz ist in Havelberg erhalten.

 

Die Ereignisse um das Hostienwunder, die zum Entstehen des Wallfahrtsortes Wilsnack führten, sind aus zeitgenössischen Quellen überliefert. Ein erster Bericht stammt von einem Havelberger Propst, der 1383 Bischof Thiderikus II. (Dietrich) nach Wilsnack begleitete. Weitere Berichte aus dem Jahr 1447 und Drucke aus der Zeit zwischen 1509 und 1520/21 berufen sich auf diesen Propst. 1586 stellte der protestantische Domdechant Matthäus Ludecus Fakten zu dem vermeintlichen Wunder zusammen.[1] Eine weitere Zusammenfassung der Quellen und Ereignisse legte 1881 der Oberpfarrer Ernst Breest aus Wilsnack vor.

 

Entstehung der Legende

 

Am 16. August 1383 nutzte Ritter Heinrich von Bülow die Abwesenheit großer Teile der Wilsnacker Gemeinde, die sich zum jährlichen Domweihfest in Havelberg aufhielt. Er überfiel Wilsnack nebst zehn weiteren Dörfern und ließ sie niederbrennen. Seit längerem hatte Ritter von Bülow Anspruch über diese Dörfer erhoben, weswegen er mit deren Herren Henning, Klaus und Gericke von Möllendorf[3] und dem Bistum Havelberg im Zwist lag.

 

Der Legende nach suchte der heimgekehrte Priester Johannes Calbutz die Ruine der niedergebrannten Kirche ab und barg geschmolzenes Glockenerz aus den Trümmern. An der Stelle des Altars lag die verkohlte Eichenbohle der Altarplatte, in der ein kleines Fach eingearbeitet war, in dem drei Hostien verwahrt wurden. In der Meinung, hier nichts weiter bergen zu können, untersuchte er die Bohle nicht weiter und kehrte ins benachbarte Lüben zurück, wo die Gemeinde übernachtete, da Wilsnack unbewohnbar war. In der folgenden Nacht vernahm der Pfarrer im Traum mehrfach eine kindliche Stimme, die ihn aufforderte, zur Kirche zurückzukehren und dort eine Messe zu lesen. Als er mit der Gemeinde am 24. August zur Kirche zurückkehrte, fanden sie die verkohlte Altarplatte mit einem Tuch bedeckt, worauf die drei vom Feuer nahezu unversehrten Hostien lagen; jede trug einen roten Blutstropfen. Nach der Messe nahm Calbutz die Hostien zur Verwahrung mit nach Lüben.

 

In der Folge kam es im Umkreis zu weiteren wundersamen Ereignissen. So brannten in der Lübener Kirche fünf Kerzen, von denen zwei während der Messe plötzlich erloschen. Die drei brennenden Kerzen wurden anschließend feierlich nach Wilsnack getragen, wobei sie weder niederbrannten noch trotz Windes erloschen. Bischof Dietrich II. von Havelberg erfuhr von den Ereignissen und reiste nach Wilsnack, um sich persönlich davon unterrichten zu lassen. In der Kirche las er eine Messe, in der er eine vierte Hostie zu den drei Bluthostien legte, woraufhin sich die Blutflecken der drei Hostien vergrößerten. Diese Begebenheit wurden von weiteren anwesenden Klerikern bezeugt, worauf der Bischof ein Hostienwunder bescheinigte.

 

Im Zusammenhang mit dem Hostienwunder ereigneten sich auch im ferneren Umkreis wundersame Begebenheiten. So verspottete Ritter Dietrich Wenkstern die Hostien, worauf er augenblicklich erblindete und sein Augenlicht erst wieder erlangte, nachdem er Gott und die heilige Kraft der Hostien anbetete und einen jährlichen Bußgang nach Wilsnack gelobte. 1388 soll der westfälische Adlige Geismar Berthold von Hansen von Ritter Conrad Spiegel überfallen und gehenkt worden sein. Von Hansen erflehte die Hilfe der Wunderbluthostien und wurde, nachdem er nach einem halben Tag noch immer lebend am Galgen hing, von Ritter Conrad befreit und um Verzeihung gebeten; der Gerettete pilgerte nach Wilsnack.

 

Hochphase der Wallfahrten

 

Am 20. Februar 1384 stellte Papst Urban VI. Wilsnack einen Ablassbrief zum Wiederaufbau der Wallfahrtskirche aus.[5] In der Folge verbreitete sich der Ruf des Blutwunders europaweit, und Wilsnack entwickelte sich zu einem der zentralen Wallfahrtsorte in Nordeuropa. Im Laufe des 15. Jahrhunderts stieg der Ort zu dem fünftbedeutendsten Wallfahrtsziel des christlichen Abendlandes auf, wodurch der Ort wirtschaftlich aufblühte. 1396 kamen die ersten in Havelberg gegossenen Pilgerzeichen in Wilsnack auf den Markt. Wilsnack war vor allem bei Böhmischen Pilgern als Wallfahrtsziel beliebt, worauf sich Jan Hus 1403 vehement gegen die Verehrung des Wunderblutes aussprach. Zu den Pilgern hatte 1433 auch die englische Mystikerin Margery Kempe gehört, die ihre Pilgerreise in ihrer autobiografischen Schrift The Book of Margery Kempe beschrieb. Das Mitglied der Magdeburger Synode, der Theologe Heinrich Tocke, begutachtete 1443 die Bluthostien. Er stellte fest, dass nur noch ein Gemisch von Krümeln und Spinnweben vorhanden war. Der Havelberger Bischof Konrad von Lintorff setzte sich aber gemeinsam mit Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg, der den Franziskanertheologen Matthias Döring mit einer Stellungnahme beauftragte, und mit Unterstützung des Papstes gegen das aus Magdeburg angestrebte Verbot durch.

 

Der Erweiterungsbau der Wilsnacker Kirche wurde vermutlich 1446 begonnen. Papst Eugen IV. nahm 1447 in zwei Bullen positiv Stellung zum Wilsnacker Hostienkult. Ein niederländischer Adliger stiftete 1461 das Fenster im Nordquerschiff. Der Wunderblutschrein, das Fresko Christophorus, die farbigen Fenster, Altäre und Skulpturen stammen aus der Zeit nach 1460. Bei der Schauwand (Altarretabel) des Altars handelt es sich um ein Kompositretabel, dessen drei Bestandteile aus dem späten 14. bis frühen 16. Jahrhundert stammen. Im Jahre 1471 erhielt die Kirche eine große Glocke. Mit der Reformation nahm 1517 die Zahl der Wallfahrer ab. 1520 verbreitete der Verlag des Lübeckers Steffen Arndes Drucke der Wilsnacker Legende (Historia inventionis et ostensionis vivifici Sacramenti), ebenso ein Jahr später Ludwig Dietz in Rostock.

 

Ende Wunderblutlegende

 

Nach der Einführung der Reformation in der Mark Brandenburg 1539 fanden im Anschluss an evangelische auch katholische Gottesdienste statt. Der evangelische Pfarrer von Wilsnack, Joachim Ellefeld, war jedoch mit der Hostienverehrung nicht einverstanden. Entgegen der Anordnung des Stadtrats, sich nicht in katholische Belange einzumischen, drang Ellefeld mit zwei Helfern am Samstag, dem 5. Juni 1552, in die Sakristei ein, zerschlug die Monstranz und verbrannte die darin aufbewahrten Bluthostien. Er wurde zunächst durch das Havelberger Domkapitel auf der Plattenburg inhaftiert, dann aber auf Anordnung des Kurfürsten Joachim II. freigelassen und des Landes verwiesen. Im selben Jahr ließ der Kurfürst die Glocke in seine Berliner Hofkirche bringen.[9] Während der mehr als 170 Jahre andauernden Wallfahrten reisten hunderttausende Pilger nach Wilsnack. Infolge der Hostienzerstörung ebbten die Pilgerströme im Laufe des 16. Jahrhunderts allmählich ab und bewirkten einem wirtschaftlichen Niedergang der Stadt.

 

Jüngere Geschichte

 

200 Jahre später (1782) erteilte Friedrich Christoph von Saldern dem Orgelbaumeister Adam Heinrich Rietz aus Magdeburg den Auftrag zum Bau einer Orgel. 1806 wurde Wilsnack von französischen Truppen besetzt; die Kirche diente ihnen als Lazarett. 1825 wurde in der Kirche der kleine Altar eingebaut, weil der große im Chor von der Gemeinde zu weit entfernt war. Auf Anordnung von Kronprinz Friedrich wurden 1881 die Buntglasfenster restauriert; ihre Inschriften verweisen auf die Königliche Glashütte zu Berlin. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Kirche von einer Bombe getroffen, die aber wohl nicht explodierte; die Einschlagstelle ist westlich des Querschiffes am Dach durch eine unterschiedliche Färbung der Dachziegel erkennbar.

 

Die Kirche war in der Endphase der DDR Schauplatz politischer Aktionen. Ab Oktober 1989 versammelten sich montags jeweils etwa tausend Menschen zu Friedensgebet und anschließendem Kerzenumzug, entsprechend den Montagsdemonstrationen in anderen Städten der DDR. Der erste Nachwende-Bürgermeister, Dietrich Gappa, wurde im Mai 1990 in der Kirche gewählt.

 

Architektur

 

Die Baugeschichte ist noch nicht abschließend geklärt. Die Gründung des Kirchenbaues geht auf die Zeit um 1286 bis 1300 zurück, mit einem stetigen Ausbau bis kurz vor der Reformation mit dem Schluss des Langhauses 1525. Erbaut wurde die Kirche als wuchtige, dreischiffige Hallenkirche im Stil der norddeutschen Backsteingotik. Das kurze, unvollendete Langhaus von drei Jochen schließt im ersten Joch den rechteckigen Turm eines Vorgängerbaus ein und zeigt selbst nur einen Dachreiter. Das Querschiff steht mittig zwischen Langhaus und Chor mit östlich dahinter liegenden Kapellen. Die Wunderblutkapelle befindet sich am südlichen Teil des Querschiffs. Der Chor hat einen polygonalen Schluss aus fünf Seiten eines Zehnecks. Erhalten sind Glasmalereien aus dem späten Mittelalter. Der Hochaltar besteht aus drei verschiedenen und übereinander geschichteten Retabeln. Auffällig sind die Querhausemporen, die über Treppentürme am Querhaus und einen brückenartigen, segmentbogigen Zugang von einer ehemaligen Bischofskurie auf der Nordseite erschlossen werden. Insgesamt ist eine Verwandtschaft zur Lüneburger Michaeliskirche und zum Stendaler Dom zu erkennen. (Wikipedia).

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Uploaded on June 15, 2019
Taken on June 15, 2019