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Plakattausch

Vor einigen Wochen verschwand im U-Bahnhof Alexanderplatz eine Leinwand aus der Bahnhofs-Ausstellung "Kommunikationsstrategien der Werbung". An deren Stelle hing nun eine Leinwand der Berliner Gruppe CBS. Erst nach mehr als einer Woche wurde die Aktion bemerkt, da das CBS-Logo auf den ersten Blick wie ein Teil der Ausstellung aussah. Die Aussteller reagierten mit wütenden Reaktionen und Anzeige. Scheinschlag und andere berichteten darüber.

Heute nacht tauchte die verschwundene Leinwand am Alex wieder auf ...dort wo sie eigentlich hingehört :-)

CBS zum Austausch eines DDR-Warenlogos auf dem U-Bahnhof Alexanderplatz

 

Tausende Menschen bewegen sich täglich im öffentlichen Nahverkehr. Dabei sind wir alle potentiell den Wirkungsmechanismen unserer konsumorientierten Gesellschaft ausgesetzt, durch permanente Werbung: Die großen Tafeln sind fester Bestandteil des Stadtbildes geworden. Die Bahnhöfe sind zu Werbeträgern verkommen. Seit einiger Zeit werden die Fahrgäste auch in den U-Bahnen ungefragt mit Werbung überflutet, über Monitor, das so genannte "Berliner Fenster". Es ist beinahe unmöglich sich diesen Mechanismen zu entziehen.

 

Eine Ausnahme stellten bisher die werbefreien Bahnhöfe dar, insbesondere der seit Jahren zum Kunstbahnhof erklärte Alexanderplatz. Das Projekt "Kunst statt Werbung" auf der Linie U2 bot mit seinen wechselnden Kunstausstellungen in der Vergangenheit oft eine erholsame Alternative zur sonst üblichen Reizüberflutung.Es sieht so aus, als sei dies mit der derzeitigen Ausstellungsreihe Kommunikationsstrategien der Werbung aufgegeben worden. Die Zeichen der öffentlichen Agitation werden einfach nur gezeigt. Eine künstlerische Auseinandersetzung zu Sinn und Wirkung von Werbung findet nicht statt. Wir haben das Gefühl, dass vor allem kostengünstige und nicht unbedingt gesellschaftskritische Projekte realisiert werden: kennst Du ein Plakat, kennst Du alle Plakate...

 

CBS arbeitet ebenfalls im öffentlichen Raum. Als Gruppe sind wir seit 1995 vor allem durch Graffiti in Erscheinung getreten. Dabei haben auch wir zunächst unbewusst und später bewusst verschiedene Kommunikationsstrategien der Werbung verwendet. Das Verbreiten unseres Namens reichte uns in den letzten Jahren jedoch nicht mehr aus. Inzwischen versuchen wir mehr und mehr gesellschaftliche Prozesse durch Aktionen im öffentlichen Raum zu hinterfragen. Wir verkaufen kein Produkt. Auf unsere Arbeiten gibt es kein Copyright. Wir haben nicht vor, CBS als kommerzielle Marke zu etablieren. Vielmehr versuchen wir zu zeigen, dass es außerhalb der üblichen gesellschaftlichen Mechanismen Menschen und Wege gibt, die sich gegen profitorientiertes Denken wehren. Sie ergreifen die Initiative. Sie schaffen Werte, die diese Stadt lebens- und liebenswert machen.

 

Als wir die Ausstellung von Aage Langhelle zum ersten Mal sahen, waren wir schockiert und bei näherer Betrachtung verstärkte sich der negative Eindruck noch. Langhelle stellt nicht die Mechanismen der Werbung kritisch aus, sondern seine Zeichen als simple Logos. Er selbst erklärt: "Die komplexen Vermarktungs- und Kommerzialisierungsprozesse auf verschiedenen Ebenen der Gesellschaft werden verdeutlicht" Wie denn?

Er sagt weiterhin: "Die Abkürzung für den Sozialistischen Staat wird zu einem Warenlogo".

Die NGBK hilft ihm dabei, weil ohne das Kunstprojekts das Copyright zum Problem würde.

Obendrein gibt es zur Ausstellung eine Internetseite (www.ddr-u2.de), wo T-Shirts mit einem der gezeigten DDR-Logos angeboten werden, zum Preis von 24,50€. Spätestens hier wird die Ausstellung zu einer Verkaufsshow und das Warenlogo "DDR" wird zum Verkaufsprodukt.

 

Dieses Kunstprojekt im öffentlichen Raum geht zu weit.

Daher beschlossen wir, ein Logo auszutauschen, um eine Diskussion zu diesem Thema neu anzuregen. Wir haben eine eigene Leinwand gebaut und ein eigenes Logo im selben Stil entworfen, um so möglichst lange Störstelle in der Ausstellung zu sein. Wir halten es für wichtig auf bestimmte Ereignisse autonom zu reagieren.

Die Arbeit von Langhelle haben wir eingelagert, um sie später in einem neuen Kontext wiederkehren zu lassen.

Mit einer Anzeige haben wir gerechnet. Wir fragen uns nur, warum Menschen oder Institutionen in ihrem Denken so festgefahren sind, dass ihnen als Erstes nichts Besseres einfällt. Dies erscheint uns vor allem mit Blick auf Geschichte und Bedeutung der NGBK ziemlich einfältig und traurig. Anzeigen halten Veränderungen in unserem Sinne jedoch keineswegs auf. Sie führen nur dazu, dass Leute wie wir noch organisierter und anonymer arbeiten. Damit wird bedauerlicherweise die Möglichkeit einer offenen und konstruktiven Diskussion noch schwieriger.

Dennoch soll die entfernte Tafel jetzt wieder auftauchen - in einem ehrlicheren Zusammenhang ...

 

CBS, März 2004

 

de.indymedia.org//2004/03/77993.shtml

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Uploaded on August 24, 2007