Back to photostream

Düstern grüßt mich heut im Nebelschleier

Photo: Wiesbaden-Biebrich, Rheinufer

++++++++++++++++++++++++++++++++++++

Düstern grüßt mich heut im Nebelschleier

 

1.) Düstern grüßt mich heut im Nebelschleier,

Der sich dunkelnd durch die Täler zieht,

Die Natur, statt in dem Rosenlichte,

In dem sonst der goldne Morgen glüht.

 

2.) Gelb und loser hängen an den Bäumen,

Die kein froher Sänger mehr belebt,

Jene Blätter. Tausend andre liegen

Dort schon von dem Silberreif umwebt.

 

3.) Jene tausend Stimmen, die die Lüfte

Sonst erfüllten, sind hinweg geflohn.

Alle Blüten, die den Boden schmückten,

Sind verblühet oder modern schon.

 

4.) Bild des Lebens, Bild des düstern Alters,

Hör ich recht, was deine Stimme spricht?

Also welkst auch du, wie deine Freuden!

So verlischt auch deines Lebens Licht!

 

5.) Jenes Jugendfeuer, das die Glieder

Noch belebet, stärket und durchglüht,

Deines Lebens süße Zauberfreuden -

Alles stirbt allmählich ab, und flieht.

 

6.) Wie die reife Frucht dort von dem Baume,

Fällst auch du vom Baum des Lebens ab.

Und dann birgt, so wie der Schnee den Samen,

So auch dich in seinen Schoß das Grab.

 

7.) Bebe nicht, mein Herz, vor dem Gedanken,

Vor dem Bilde deiner Sterblichkeit.

Was verlierst du an dem armen Leben,

Was ist's gegen jene Ewigkeit?

 

8.) Und die hat dein Vater dir verheißen,

In dem Land, wo keine Träne fließt.

Wo der tugendhafte, fromme Dulder

Seiner Treue süße Frucht genießt.

 

9.) Denke daran, wie du dieses Leben

Würdig lebst dem göttlichen Beruf,

Für den deines Gottes weise Liebe

Dich auf seiner schönen Erde schuf.

 

10.) Schau! In tausendfachen reinen Bildern

Spricht zu dir des guten Vaters Wort.

Trachte nicht nach Freuden dieser Erde,

Denn dein wahres Vaterland ist dort.

 

11.) Schaue auf zu seinem hohen Himmel,

Dahin strebe in der Jugendzeit

Deines Daseins, höhere Vollendung

Wartet dein dort in der Ewigkeit.

 

12.) So wie jede Pflanze, jede Blume,

Eh' ihr Leben noch der Winter streift,

Sich vollendet, und in sich den Samen

In des Sommers heißen Gluten reift.

 

13.) Also reif auch du dem Tag entgegen,

Der zu Gottes Throne hin dich ruft.

Vorbereitet auf die ernste Stunde,

Blicke freudig in die düstre Gruft.

 

14.) Jene Liebe, die sich dir versöhnte,

Waltet liebend über Tod und Grab.

Du wirst einen schönern Morgen sehen!

Du bist mehr als jenes welke Laub!

 

15.) Siegend wirst du einstens auferstehen,

Nur der Leib wird der Vernichtung Raub.

Lass mich freudig diesen Morgen schauen,

Gott, mein Richter, nein, verwirf mich nicht!

 

++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

Autor: Christian Friedrich Leberecht Strack

++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

Eloah, Erhebungen des Herzens zu Gott

in einer Reihe von Gesängen und metrischen Gebeten

von D. [Christian]Fr[iedrich Leberecht] Strack

verlegt bei Heinrich Ludwig Brönner

Frankfurt a. M., 1817

Thema: Herbstlied

++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

Christian Friedrich Leberecht Strack (* 9. Mai 1781 in Kloster Roßleben; † 25. Juli 1852 in Bremen) war ein deutscher Pädagoge, Professor in Bremen und evangelischer Kirchenlieddichter.

Strack besuchte die Klosterschule Roßleben, studierte Theologie und Philosophie an der Universität Leipzig und erwarb sowohl den Magister- als auch den Doktortitel. Er war anfänglich als Prediger tätig. Seine weitere pädagogische Ausbildung erhielt er in Halle/Saale, wo er ab 1806 als Lehrer arbeitete. Im Jahr 1810 wechselte er an das Gymnasium von Wertheim am Main und 1814 nach Düsseldorf. 1817 wurde zum Vorsteher der Vorschule im Eschenhof an die Domsheide in Bremen, einer Abteilung der neugegründeten Hauptschule in Bremen, berufen. Er verfasste mehrere pädagogische Schriften und brachte zwei Gedichtbände heraus. Er war stark interessiert an naturwissenschaftlichen Themen und machte sich als Übersetzer der Schriften von Aristoteles und Plinius dem Jüngeren einen Namen. Besondere Verbreitung fand eine Sammlung geistlicher Gedichte, die er unter dem Titel: 'Eloah, Erhebungen des Herzens zu Gott in einer Reihe von Gesängen und metrischen Gebeten' herausgab; sie erschien zuerst 1814 (Frankfurt a. M. bei Brönner) und danach in sechs Folgeauflagen. In Nikolaus Joachim Evers 'Sammlung geistlicher Lieder', 1817 in Hamburg verlegt, sind sieben Lieder von ihm enthalten.

4,991 views
4 faves
0 comments
Uploaded on September 21, 2013
Taken on October 11, 2008