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Zu meines ewgen Vaters Stadt

Photo: Morgen an der Sylter Straße, Wiesbaden-Dotzheim

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Zu meines ewgen Vaters Stadt

 

1.) Zu meines ewgen Vaters Stadt

Wall ich als Pilger auf der Erden.

Mein Schloss und Burg ist Gottes Gnad',

Ich soll im Himmel wohnhaft werden.

Indes ist mir mein Jesus treu,

Steht mir in allen Nöten bei.

Wenn mich die List der Feinde plagen,

Darf ich ihm allen Jammer klagen,

Er macht mir bis zum Hauptgewinn,

Dass ich bei ihm in Gnaden bin.

 

2.) Er selbst, sein Wort ist mein Panier, (a)

Daran ich g'nug zur Labung habe.

Sein Herz und Wunden mein Quartier,

Sein Gnadengeist ist mein Gabe.

Er ist mein Reichtum, Kleid und Brot,

Versöhner, Mittler, Herr und Gott,

Mein Tröster, Rat und mein Fürsprecher,

Mein Lehrer, König und Bluträcher,

Mein Ein und Alles in der Zeit,

Mein Hab und Gut in Ewigkeit.

 

3.) Wenn meine Feinde Waffen ziehn,

Hat er sein Schwert schon längst gezücket.

Sie müssen vor ihm alle fliehn,

Der Belial (b) liegt vor ihm gebücket.

Zertreten ist sein stolzer Kopf,

Vom Herrn zerschmettert, wie ein Topf.

Sein Zepter ist Gewalt und Gnade,

Er liebt den Mensch, die arme Made

Und macht das Herz getrost und kühn.

Die Feinde müssen alle fliehn.

 

4.) Versöhnung und Gerechtigkeit

Wird reichlich mir vom Herrn erteilet.

Des Geistes Leben, Fried und Freud

Quillt aus dem Blute, das mich heilet.

Beim Vater find ich Gnad' und Huld,

eErlassung aller Sündenschuld.

Ein ziemlich wohlgemessnes Leiden,

Verwandelt sich in lauter Freuden.

Im Herrn kann ich recht fröhlich sein,

Er ist mein Freund und bleibet mein.

 

5.) Sein mehr als mütterliches Herz

Bleibt mir im Lieben unbeweget.

Er ist's, der mich bei meinem Schmerz

In Armen, Seit' und Herzen träget.

In Tiefen ist er meine Höh',

In Seelendürre meine See,

Darin ich tausend Labung finde,

Und wenn ein Sturm der Trübsalswinde

Mein Schifflein auf und nieder stößt,

Steht seine Treue felsenfest.

 

6.) Kein Schäflein ist so wohl bewahrt

Im Arm und Busen seines Hirten,

Es kann ein Kind von guter Art

Kein Mutterschoß so wohl bewirten,

Als mich mein Heiland hier erquickt,

Wenn er mich an sein Herze drückt.

Mit Heil aus seinen Wunden nähret

Und das von Zeit zu Zeit verkläret.

Ob er mich gleich zuweilen übt, (c)

So weiß ich doch, dass er mich liebt.

 

7.) Und o wie bald gelang ich an

Am Port (d), zum Ziel der Himmelsfreuden,

Da mich mein Lamm in Kanaan (e)

Zum Lebensstrom wird ewig leiten,

Wo mich kein Leid noch Schmerz berührt,

Ja, ew'ge Freud' und Wonne ziert.

Nun, Herr, verleihe Treu und Gnade!

Und wenn ich durch den Jordan bade,

So trage mich des Blutes Macht

Durch Furcht und Schmerz der Todesnacht.

 

8.) Dann blitzt das schöne Morgenrot

Der Jesuswunden lauter Segen.

Wie mich hier drücket Sünd' und Tod,

So strömt mir dort der Fried' entgegen.

Mich decket lauter stolze Ruh',

Mir eilen Engelscharen zu,

Die 'Heilig, heilig, heilig' singen,

Da muss mein Jubel mit drein klingen.

Und dies wird meine Losung sein:

Aus Gnaden geh ich hier herein.

 

(a) Sinnspruch auf einem Wappen, Motto

(b) Belial ist ein Dämon aus der jüdischen Kultur

(c) prüft

(d) Hafen

(e) biblische Landschaft, hier Paradies

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Autor: Katharina Amalie Dorothea von Schlegel

Melodie: Mein Heiland nimmt die Sünder an

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gefunden im Buch

Die Cöthnischen Lieder

Zum Lobe des dreieinigen Gottes

Druck: Obern-Druckerei Emanuel Hortinus

Bern, 1748

Liednummer 160

Thema: Offenbarung

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Katharina Amalie Dorothea von Schlegel (* 22. Oktober 1697; † nach 1768) war eine deutsche Kirchenlieddichterin.

Über ihr Leben ist wenig bekannt. Belegt ist, dass sie unverheiratet in Köthen in dem noch heute existierenden lutherischen Damenstift lebte, das von der Fürstin Gisela Agnes, der Witwe des Fürsten Emanuel Lebrecht von Anhalt-Köthen, 1711 gegründet worden war. 1726 korrespondierte sie von hier mit August Hermann Francke; 1768 war sie vermutlich noch am Leben.

Sie verfasste einen ganze Reihe von Kirchenliedern im Geist des frühen Pietismus, die in die verschiedenen Sammlungen der Cöthen’schen Lieder, die zuletzt vollständig in drei Teilen 1768 in Halle/Saale erschienen, und in der Wernigerodischen Neuen Sammlung geistlicher Lieder des Grafen Heinrich Ernst zu Stolberg-Wernigerode aufgenommen wurden. Die größte Nachwirkung hatten zunächst Glauben, Glaubensflügel her und Süßes Lamm, gieb meiner Seelen.

Durch die Übersetzung ins Englische durch Jane Borthwick erreichte jedoch ihr Lied Stille, mein Wille! als Be still, my Soul unter der Melodie Finlandia die weiteste Verbreitung. Es wird bis heute gesungen und findet sich vielfach auf CDs aufgenommen (u.a. von Libera, Isobel Cooper und dem Mormon Tabernacle Choir).

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Uploaded on November 9, 2012
Taken on January 8, 2011