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Wer wohlauf ist und gesund

Photo: Hauptbahnhof in Wiesbaden, Vorplatz

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Wer wohlauf ist und gesund

 

1.) Wer wohlauf ist und gesund,

Hebe sein Gemüte

Und erhöhe seinen Mund

Zu des Höchsten Güte.

Lasst uns danken Tag und Nacht

Mit gesunden Liedern

Unserm Gott, der uns bedacht

Mit gesunden Gliedern.

 

2.) Ein gesundes frisches Blut

Hat ein fröhliches Leben.

Gibt uns Gott dies ein'ge Gut,

Ist uns g'nug gegeben

Hier in dieser armen Welt,

Da die schönsten Gaben

Und des güldnen Himmels Zelt

Wir noch künftig haben.

 

3.) Wär ich gleich wie Krösus reich,

Hätte Barschaft liegen,

Wär ich Alexandern gleich

An Triumph und Siegen,

Müsste gleichwohl siech und schwach

Pfühl (a) und Betten drücken:

Würd auch mich in Ungemach

All mein Gut erquicken?

 

4.) Stünde gleich mein ganzer Tisch

Voller Lust und Freude,

Hätt ich Wildpret, Wein und Fisch

Und die ganze Weide,

Die den Hals und Schmack ergötzt:

Wozu würd es nützen,

Wann ich dennoch ausgesetzt

Müsst in Schmerzen sitzen?

 

5.) Hätt ich aller Ehren Pracht,

Säß im höchsten Stande,

Wär ich mächtig aller Macht

Und ein Herr im Lande,

Mein Leib aber hätte doch

Auf- und angenommen

Der betrübten Krankheit Joch:

Was hätt ich für Frommen? (b)

 

6.) Ich erwähl ein Stücklein Brot,

Das mir wohl gedeihet,

Vor des roten Goldes Kot,

Da man Ach bei schreiet.

Schmeckt mir Speis und Mahlzeit wohl

Und darf mein nicht schonen,

Halt ich ein Gerichtlein Kohl

Höher als Melonen.

 

7.) Samt und Purpur hilft mir nicht

Mein Elende tragen,

Wenn mich Hauptweh, Stein (c) und Gicht

Und die Schwindsucht plagen.

Lieber will ich fröhlich gehn

Im geringen Kleide,

Als mit Leid und Ängsten stehn

In der schönsten Seide.

 

8.) Sollt ich stumm und sprachlos sein,

Oder lahm an Füßen,

Sollt ich nicht des Tages Schein

Sehen und genießen,

Sollt ich gehen spat und früh

Mit verschlossnen Ohren:

Würd ich wünschen, dass ich nie

Wär ein Mensch geboren.

 

9.) Lebt ich ohne Rat und Witz,

Wär im Haupt verirret,

Hätte meiner Seelen Sitz,

Mein Herz, sich verwirret,

Wäre mir mein Mut und Sinn

Niemals guter Dinge:

Wär es besser, dass ich hin,

Wo ich her bin, ginge.

 

10.) Aber nun gebricht mir nichts

An erzählten Stücken,

Ich erfreue mich des Lichts

Und der Sonnen Blicken,

Mein Gesichte sieht sich um,

Mein Gehöre höret,

Wie der Vöglein süße Stimm

Ihren Schöpfer ehret.

 

11.) Händ und Füße, Herz und Geist

Seind bei guten Kräften,

Alle mein Vermögen fleußt

Und geht in Geschäften,

Die mein Herrscher hat gestellt

Hier in meinem Bleiben,

Alsolang es ihm gefällt,

In der Welt zu treiben.

 

12.) Ist es Tag, so mach und tu

Ich, was mir gebühret,

Kommt die Nacht und süße Ruh,

Die zum Schlafen führet,

Schlaf und ruh ich unbewegt,

Bis die Sonne wieder

Mit den hellen Strahlen regt

Meine Augenlider.

 

13.) Habe Dank, du milde Hand,

Die du aus dem Throne

Deines Himmels mir gesandt

Diese schöne Krone

Deiner Gnad' und großen Huld,

Die ich all mein Tage

Niemals hab um dir verschuldt,

Und doch an mir trage.

 

14.) Gib, so lang ich bei mir hab

Ein lebendigs Hauchen,

Dass ich solche teure Gab

Auch wohl möge brauchen.

Hilf, dass mein gesunder Mund

Und erfreute Sinnen

Dir zu aller Zeit und Stund

Alles Liebs beginnen!

 

15.) Halte mich bei Stärk' und Kraft,

Wenn ich nun alt werde,

Bis mein Stündlein hin mich rafft

In das Grab und Erde.

Gib mir meine Lebenszeit

Ohne sonderm Leide,

Und dort in der Ewigkeit

Die vollkommne Freude!

 

Amen.

 

(a) Kissen

(b) Nutzen

(c) Gallenstein

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Autor: Paul Gerhardt

Melodie: Jesu Leiden, Pein und Tod

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gefunden in: Paul Gerhardt - Lieder und Gedichte

Verlag Paul Müller, München, 1949

Herausgegeben von Eberhard von Cranach-Sichart

Kapitel Lob und Dank, Seite 173

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Paul Gerhardt, geb. 12. März 1607 in Gräfenhainichen (Sachsen), Hauslehrer in Berlin, 1651 evangelisch-lutherischer Propst in Mittenwalde (Mark Brandenburg), 1657 Pfarrer an St. Nikolai in Berlin. 1667 seines Amtes enthoben, weil er als überzeugter Lutheraner dem Toleranzedikt des reformierten Großen Kurfürsten nicht zustimmen konnte, 1669 Archidiakonus in Lübben (Spreewald), dort gestorben 27. Mai 1676.

Er ist nach Martin Luther der bekannteste und produktivste Kirchenlieddichter. Seine etwa 130 Lieder bezeugen auf dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges persönliches Gottvertrauen und christliche Heilserfahrung. Crüger und Ebeling vertonten viele seiner Gedichte.

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Paul Gerhardt (12 March 1607 – 27 May 1676) was a German hymn writer. He is commemorated as a hymnwriter in the Calendar of Saints of the Lutheran Church on 26 October with Philipp Nicolai and Johann Heermann.

Gerhardt was born into a middle-class family at Gräfenhainichen, a small town between Halle and Wittenberg. At the age of fifteen, he entered the Fürstenschule in Grimma. The school was known for its pious atmosphere and stern discipline. The school almost closed in 1626 when the plague came to Grimma, but Paul remained and graduated from there in 1627. In January 1628 he enrolled in the University of Wittenberg. There, two teachers in particular had an influence on him: Paul Röber and Jacob Martini. Both of these men were staunch Lutherans, promoting its teachings not only in the classroom but in sermons and hymns. Röber in particular often took his sermon texts from hymns. In this way Gerhardt was taught the use of hymnody as a tool of pastoral care and instruction.

Gerhardt graduated from the University of Wittenberg around 1642. Due to the troubles of the Thirty Years War it seems he was not immediately placed as a pastor, and thus moved to Berlin where he worked as tutor in the family of an advocate named Andreas Barthold. During his time in Berlin his hymns and poems brought him to the attention of Johann Crüger the cantor and organist at the Nicolaikirche in Berlin. Crüger was impressed by Gerhardt's hymns and included eighteen of them in his "Praxis pietatis melica" (1656). The hymns proved popular, and Gerhardt and Crüger began a collaboration and friendship that continued for many years.

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Uploaded on August 8, 2012
Taken on September 4, 2008