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Sigmund von Birken: O Gott, ich muss dir klagen
O Gott, ich muss dir klagen
1.) O Gott, ich muss dir klagen,
Verklagen selber mich,
Von meiner Bosheit sagen,
Die kränket mich und dich:
Ein Wurm nagt mich im Herzen,
Der dürre, blasse Neid,
Er plaget mich mit Schmerzen,
Versalzt mir alle Freud.
2.) Hat einer viel zu zählen,
Prangt er mit Witz und Kunst,
Beglückt ihn sein Vermählen,
Lust, Ehr' und Menschengunst:
Ich kann es gar nicht leiden,
Ich denke: seine Ehr,
Sein Gut und seine Freuden
Gebührten mir vielmehr.
3.) Dein sind, o Gott, die Gaben:
Es kommt von dir allein,
Was der und jener haben.
Und wess' sie sollen sein,
Das steht bei deiner Güte,
Du schenkest, wem du willst.
Dein Aug' sieht ins Gemüte,
Kein Ansehn vor dir gilt.
4.) Ein Vater oft auf Erden
Ein Kind vor andren liebt,
Und ich sollt murrend werden,
Wenn Gott auch dies verübt?
Mag doch ein Mensche schenken,
Was, wann und wem er will,
Und ich sollt' Gott verdenken,
Ihm setzen Maß und Ziel?
5.) Lass mich am Bruder lieben
Die Gaben, sie sind dein,
Mich freuen, nicht betrüben,
Mit ihm dir dankbar sein.
Was? Sollt ich scheel aussehen,
Da du so gütig bist?
Der Geber hört sich schmähen,
Wenn mich die Gab' verdrießt.
6.) Du wirst, wann mir es nütze
Und selig dort und hier,
Mehr Ehre, Glück und Witze,
Mehr Gaben schenken mir.
Mit Murren und mit Neiden
Poch ich dir nichtes ab:
Ich mach mir selbst nur Leiden
Und doch nichts Mehrers hab.
7.) Seh ich die Bösen grünen:
Ihr Himmelreich ist hier.
Die Hölle schnappt nach ihnen,
Sie büßen dort dafür.
Ich mag auf Erden haben
Mein' Höll' und leiden Leid:
Der Himmel wird mich laben
Mit süßer Ewigkeit.
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Der Text wurde von mir behutsam, soweit
es die Strophenform und der Endreim zu-
ließen, in heutiges Hochdeutsch übertragen
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Autor: Sigmund von Birken
Melodie: Herzlich tut mich verlangen
oder: Lob Gott getrost mit Singen
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Das vollständige große (evangelische) Cellische Gesangbuch
Druck: Sternische Druckerei
Lüneburg, 1716
Liednummer 267
Thema: Glaube, Kampf und Rechtfertigung
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Sigmund von Birken, auch Sigismund von Birken, (* 25. April 1626 in Wildstein bei Eger; † 12. Juni 1681 in Nürnberg), war ein deutscher Dichter und Schriftsteller des Barock, evangelischer Kirchenlieddichter und unter anderem Mitglied des Pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg.
Birken war der Sohn von Daniel Betulius, dem Ortspfarrer von Wildstein bei Eger in Böhmen. 1629 wurde die protestantische Familie von dort vertrieben und flüchtete nach Nürnberg, der Heimatstadt der Mutter. Bis zu seiner Erhebung in den Adelsstand 1654 trug der Dichter den Namen Sigmund (oder Sigismundus) Betulius.
Nach dem Besuch der Lateinschule in Nürnberg studierte Birken 1643 bis 1644 die Rechtswissenschaften in Jena/Thüringen. Zur Jahreswende 1644/45 brach er sein Studium ohne Abschluss ab und ging nach Nürnberg zurück. Dort verfasste er im Frühjahr 1645 sein erstes größeres Werk, die Fortsetzung der Pegnitzschäferei und wurde unter dem Pseudonym 'Floridan' Mitglied des Pegnesischen Blumenordens. Vom Ende des Jahres bis Oktober 1646 wirkte er als Hofmeister (Lehrer und Erzieher) der Prinzen Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg-Wolfenbüttel und Ferdinand Albrecht von Braunschweig und Lüneburg-Wolfenbüttel am Hof in Wolfenbüttel. Nachdem folgte eine zweijährige Wanderung durch Norddeutschland, wo er u.a. Johann Rist kennen lernte und die ihn bis nach Rostock führte.
Im November 1648 kehrte er nach Nürnberg zurück. In den folgenden beiden Jahren wurde er über die Grenzen seiner Heimat hinaus als Dichter bekannt: Auch in den folgenden Jahren wirkte Birken als Dichter und Erzieher. Er versuchte, sich als freier Schriftsteller zu etablieren, konnte aber von dieser Tätigkeit nicht leben. In Gottlieb von Windischgrätz, mit dem er in Nürnberg Freundschaft geschlossen hatte, fand er einen einflussreichen Förderer am Hof in Wien. Im Mai 1654 wurde er mit dessen Unterstützung von Kaiser Ferdinand III. in den Adelsstand, später wurde er durch Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen wurde.
Birken, einer der vielfältigsten und produktivsten Autoren des 17. Jahrhunderts, trat außer als Barockdichter anakreontischer Gedichte auch als Verfasser von Kirchenliedern, Geschichtsschriften und Historiendramen hervor. Von großem Wert für die weitere Erforschung der Barockliteratur ist der Nachlass Birkens, der sich auf 10.000 Manuskriptseiten und ca. 2.000 Briefe mit 400 Korrespondenten beläuft.
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Sigmund von Birken: O Gott, ich muss dir klagen
O Gott, ich muss dir klagen
1.) O Gott, ich muss dir klagen,
Verklagen selber mich,
Von meiner Bosheit sagen,
Die kränket mich und dich:
Ein Wurm nagt mich im Herzen,
Der dürre, blasse Neid,
Er plaget mich mit Schmerzen,
Versalzt mir alle Freud.
2.) Hat einer viel zu zählen,
Prangt er mit Witz und Kunst,
Beglückt ihn sein Vermählen,
Lust, Ehr' und Menschengunst:
Ich kann es gar nicht leiden,
Ich denke: seine Ehr,
Sein Gut und seine Freuden
Gebührten mir vielmehr.
3.) Dein sind, o Gott, die Gaben:
Es kommt von dir allein,
Was der und jener haben.
Und wess' sie sollen sein,
Das steht bei deiner Güte,
Du schenkest, wem du willst.
Dein Aug' sieht ins Gemüte,
Kein Ansehn vor dir gilt.
4.) Ein Vater oft auf Erden
Ein Kind vor andren liebt,
Und ich sollt murrend werden,
Wenn Gott auch dies verübt?
Mag doch ein Mensche schenken,
Was, wann und wem er will,
Und ich sollt' Gott verdenken,
Ihm setzen Maß und Ziel?
5.) Lass mich am Bruder lieben
Die Gaben, sie sind dein,
Mich freuen, nicht betrüben,
Mit ihm dir dankbar sein.
Was? Sollt ich scheel aussehen,
Da du so gütig bist?
Der Geber hört sich schmähen,
Wenn mich die Gab' verdrießt.
6.) Du wirst, wann mir es nütze
Und selig dort und hier,
Mehr Ehre, Glück und Witze,
Mehr Gaben schenken mir.
Mit Murren und mit Neiden
Poch ich dir nichtes ab:
Ich mach mir selbst nur Leiden
Und doch nichts Mehrers hab.
7.) Seh ich die Bösen grünen:
Ihr Himmelreich ist hier.
Die Hölle schnappt nach ihnen,
Sie büßen dort dafür.
Ich mag auf Erden haben
Mein' Höll' und leiden Leid:
Der Himmel wird mich laben
Mit süßer Ewigkeit.
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Der Text wurde von mir behutsam, soweit
es die Strophenform und der Endreim zu-
ließen, in heutiges Hochdeutsch übertragen
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Autor: Sigmund von Birken
Melodie: Herzlich tut mich verlangen
oder: Lob Gott getrost mit Singen
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Das vollständige große (evangelische) Cellische Gesangbuch
Druck: Sternische Druckerei
Lüneburg, 1716
Liednummer 267
Thema: Glaube, Kampf und Rechtfertigung
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Sigmund von Birken, auch Sigismund von Birken, (* 25. April 1626 in Wildstein bei Eger; † 12. Juni 1681 in Nürnberg), war ein deutscher Dichter und Schriftsteller des Barock, evangelischer Kirchenlieddichter und unter anderem Mitglied des Pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg.
Birken war der Sohn von Daniel Betulius, dem Ortspfarrer von Wildstein bei Eger in Böhmen. 1629 wurde die protestantische Familie von dort vertrieben und flüchtete nach Nürnberg, der Heimatstadt der Mutter. Bis zu seiner Erhebung in den Adelsstand 1654 trug der Dichter den Namen Sigmund (oder Sigismundus) Betulius.
Nach dem Besuch der Lateinschule in Nürnberg studierte Birken 1643 bis 1644 die Rechtswissenschaften in Jena/Thüringen. Zur Jahreswende 1644/45 brach er sein Studium ohne Abschluss ab und ging nach Nürnberg zurück. Dort verfasste er im Frühjahr 1645 sein erstes größeres Werk, die Fortsetzung der Pegnitzschäferei und wurde unter dem Pseudonym 'Floridan' Mitglied des Pegnesischen Blumenordens. Vom Ende des Jahres bis Oktober 1646 wirkte er als Hofmeister (Lehrer und Erzieher) der Prinzen Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg-Wolfenbüttel und Ferdinand Albrecht von Braunschweig und Lüneburg-Wolfenbüttel am Hof in Wolfenbüttel. Nachdem folgte eine zweijährige Wanderung durch Norddeutschland, wo er u.a. Johann Rist kennen lernte und die ihn bis nach Rostock führte.
Im November 1648 kehrte er nach Nürnberg zurück. In den folgenden beiden Jahren wurde er über die Grenzen seiner Heimat hinaus als Dichter bekannt: Auch in den folgenden Jahren wirkte Birken als Dichter und Erzieher. Er versuchte, sich als freier Schriftsteller zu etablieren, konnte aber von dieser Tätigkeit nicht leben. In Gottlieb von Windischgrätz, mit dem er in Nürnberg Freundschaft geschlossen hatte, fand er einen einflussreichen Förderer am Hof in Wien. Im Mai 1654 wurde er mit dessen Unterstützung von Kaiser Ferdinand III. in den Adelsstand, später wurde er durch Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen wurde.
Birken, einer der vielfältigsten und produktivsten Autoren des 17. Jahrhunderts, trat außer als Barockdichter anakreontischer Gedichte auch als Verfasser von Kirchenliedern, Geschichtsschriften und Historiendramen hervor. Von großem Wert für die weitere Erforschung der Barockliteratur ist der Nachlass Birkens, der sich auf 10.000 Manuskriptseiten und ca. 2.000 Briefe mit 400 Korrespondenten beläuft.
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