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Jetzund ist die Winterzeit
Photo: Raureif-Landschaft bei Schloss Freudenberg, Wiesbaden-Dotzheim
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Jetzund ist die Winterzeit
1.) Jetzund ist die Winterzeit,
Derer Freud'
Hat verhüllt ein graues Kleid,
Welt und Felder sind bedecket
Mit dem Schnee,
Der den Klee
Nun gar verstecket.
2.) Berg und Täler sehen weiß,
Kält' und Eis
Machen Dach' und Erden greis, (a)
Büsch und Bäume sind behangen,
Doch die Zier
Sehen wir
Dient nicht zum Prangen. (b)
3.) Was man siehet in der Welt,
Stadt und Feld,
Nirgends keine Früchte hält,
Kurze Tag macht die Sonne
Und die Nacht
Wird vollbracht
Ohn' Freud' und Wonne.
4.) Was des Sommers treuer Sinn
Uns vorhin
Hat getragen zum Gewinn,
Will der Winter jetzt verzehren
Und allzeit
Von der Beut'
Sich gleichsam nähren.
5.) Wieviel Bäume durch den Wald
Sind gespalt'
Uns zu wärmen, wenn es kalt?
Die man sonst könnte nehmen
Und zur Zier,
Dort und hier,
Vielmehr bequemen.
6.) Meine Seele! Denk zurück
Wie dies Stück
Sich zu deinem Vorteil schick.
Schau, der Winter kann dich lehren,
Wie die Zeit
Alle Freud'
Pflegt zu verheeren.
7.) Da der schöne Frühling war
Offenbar
Sahe man der Blumen Schar,
Die mit sonderbaren Freuden
Ohne Zahl,
Überall
Uns konnten weiden. (c)
8.) In der lieben Sommerzeit
War bereit
Alles voller Fröhlichkeit,
Weil man sah die Frucht der Erden
Allgemach,
Nach und nach,
Geboren werden.
9.) Neulich da der Herbst allhier
Vor der Tür,
Wies er seine Trauben für
An den dickbelaubten Reben,
Derer Saft
Kann viel Kraft
Den Müden geben.
10.) Aber nun des Winters Kält'
Bei uns hält,
Wird uns alle Lust verstellt,
Wintersfrüchte, die wir haben,
Sind gering
Schlechte Ding'
Der Dörner (d) Gaben.
11.) So kommt nämlich Traurigkeit
Und das Leid
Nach der vorgehabten Freude,
Was wir Gutes vorgenossen, (e)
Ist bereit
Mit der Zeit
Schon dahin geflossen.
12.) Ja, gleich wie, was vor (e) vergnügt
Jetund liegt
Und sich weder (f) regt noch biegt,
Also die wir jetzund blühen
Müssen bald,
Starr und kalt,
Zur Erden ziehen.
13.) Doch die Hoffnung tröst uns noch,
Weil wir doch
Wissen, wenn das Winterjoch
Abgeworfen, dass wir werden
Wieder sehn,
Neu entstehn
Die Frucht der Erden.
14.) Also, ob wir jetzund zwar
In Gefahr
Und bald gar sind auf der Bahr,
Werden wir doch wieder haben
Für die Not
Nach dem Tod
Des Himmels Gaben.
15.) Unterdessen meine Seel'
Dich nicht quäl,
Wegen deines Leibes Höhl',
Hoff und harre, duld und leide,
Lebe wohl,
Wie man soll
Die Sünde meide.
16.) Wenn dir auch des Himmels Gnad'
Etwas hat
Mitgeteilet, halt's zu Rat,
Wenn des Lebens Winter kommen,
Hat er oft,
Unverhofft,
Viel mitgenommen.
17.) Gott, der du regierst die Zeit,
Und bald Leid,
Bald uns wieder schaffest Freud'
Schaff den Winter ohne Kummer
Und danach
Bring an Tag
Den Himmels-Sommer. (g)
(a) alt (wegen der schneeweißen bzw. grauen Farbe)
(b) Angeben
(c) erfreuen
(d) Dornen
(e) vor = vorher
(f) im Originaltext steht 'wieder', was hier sinnfern wäre
(g) im evangelischen Kirchenlied wird das Bild des Sommers oft die Ewigkeit verwendet
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Autor: Johann Christoph Arnschwanger
Melodie: Wohl dem, welcher seiner
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Johann Crügers neu zugerichtete
Praxis pietatis melica
das ist: Übung der Gottseligkeit
übersehen und verbessert von
Peter Sohren
Druck und Verlag Balthasar-Christoph Wust
Frankfurt am Main, 1693
Liednummer 721
Thema: Winterlied
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Johann Christoph Arnschwanger (* 28. Dezember 1625 in Nürnberg; † 10. Dezember 1696 ebenda) war ein deutscher evangelisch-lutherischer Pfarrer und Lieddichter. Er wurde als Sohn des Nürnberger Kaufmanns Georg Arnschwanger und Margarete, geb. Rosenhart, geboren. Nach dem Besuch des Ägidien-Gymnasiums in Nürnberg studierte Arnschwanger ab 1644 in Altdorf bei Nürnberg Theologie und wechselte im Jahr 1647 an die Universität Jena. An der Hochschule in Helmstedt beendete er sein Studium mit Erwerb des Magistertitels. Im darauf folgenden Jahr wurde Arnschwanger als Vikar in seine Vaterstadt Nürnberg berufen und erhielt im Jahr 1652 seine erste Pfarrstelle, als er Diakon (Zweiter Pfarrer) an der Kirche St. Ägidien wurde. Zwei Jahre später übernahm er die Pfarrstelle an der Kirche St. Walpurgis und stieg 1659 zuerst zum Diakon und schließlich 1690 zum Archidiakon an der Hauptkirche St. Lorenz auf. Arnschwangers Werk umfasst nahezu 400 geistliche Lieder, die in zwei Sammlungen erschienen. Eine erste Zusammenstellung erschien 1659 unter dem Titel 'M.J.C. Arnschwangers neue Geistliche Lieder'; die zweite wurde im Jahr 1680 unter dem Titel 'Heilige Palmen und christliche Psalmen' gedruckt. Sein bekanntestes Lied ist ein Epiphaniaslied mit sechs Strophen und heißt 'Nun, liebe Seele, nun ist es Zeit'.
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Jetzund ist die Winterzeit
Photo: Raureif-Landschaft bei Schloss Freudenberg, Wiesbaden-Dotzheim
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Jetzund ist die Winterzeit
1.) Jetzund ist die Winterzeit,
Derer Freud'
Hat verhüllt ein graues Kleid,
Welt und Felder sind bedecket
Mit dem Schnee,
Der den Klee
Nun gar verstecket.
2.) Berg und Täler sehen weiß,
Kält' und Eis
Machen Dach' und Erden greis, (a)
Büsch und Bäume sind behangen,
Doch die Zier
Sehen wir
Dient nicht zum Prangen. (b)
3.) Was man siehet in der Welt,
Stadt und Feld,
Nirgends keine Früchte hält,
Kurze Tag macht die Sonne
Und die Nacht
Wird vollbracht
Ohn' Freud' und Wonne.
4.) Was des Sommers treuer Sinn
Uns vorhin
Hat getragen zum Gewinn,
Will der Winter jetzt verzehren
Und allzeit
Von der Beut'
Sich gleichsam nähren.
5.) Wieviel Bäume durch den Wald
Sind gespalt'
Uns zu wärmen, wenn es kalt?
Die man sonst könnte nehmen
Und zur Zier,
Dort und hier,
Vielmehr bequemen.
6.) Meine Seele! Denk zurück
Wie dies Stück
Sich zu deinem Vorteil schick.
Schau, der Winter kann dich lehren,
Wie die Zeit
Alle Freud'
Pflegt zu verheeren.
7.) Da der schöne Frühling war
Offenbar
Sahe man der Blumen Schar,
Die mit sonderbaren Freuden
Ohne Zahl,
Überall
Uns konnten weiden. (c)
8.) In der lieben Sommerzeit
War bereit
Alles voller Fröhlichkeit,
Weil man sah die Frucht der Erden
Allgemach,
Nach und nach,
Geboren werden.
9.) Neulich da der Herbst allhier
Vor der Tür,
Wies er seine Trauben für
An den dickbelaubten Reben,
Derer Saft
Kann viel Kraft
Den Müden geben.
10.) Aber nun des Winters Kält'
Bei uns hält,
Wird uns alle Lust verstellt,
Wintersfrüchte, die wir haben,
Sind gering
Schlechte Ding'
Der Dörner (d) Gaben.
11.) So kommt nämlich Traurigkeit
Und das Leid
Nach der vorgehabten Freude,
Was wir Gutes vorgenossen, (e)
Ist bereit
Mit der Zeit
Schon dahin geflossen.
12.) Ja, gleich wie, was vor (e) vergnügt
Jetund liegt
Und sich weder (f) regt noch biegt,
Also die wir jetzund blühen
Müssen bald,
Starr und kalt,
Zur Erden ziehen.
13.) Doch die Hoffnung tröst uns noch,
Weil wir doch
Wissen, wenn das Winterjoch
Abgeworfen, dass wir werden
Wieder sehn,
Neu entstehn
Die Frucht der Erden.
14.) Also, ob wir jetzund zwar
In Gefahr
Und bald gar sind auf der Bahr,
Werden wir doch wieder haben
Für die Not
Nach dem Tod
Des Himmels Gaben.
15.) Unterdessen meine Seel'
Dich nicht quäl,
Wegen deines Leibes Höhl',
Hoff und harre, duld und leide,
Lebe wohl,
Wie man soll
Die Sünde meide.
16.) Wenn dir auch des Himmels Gnad'
Etwas hat
Mitgeteilet, halt's zu Rat,
Wenn des Lebens Winter kommen,
Hat er oft,
Unverhofft,
Viel mitgenommen.
17.) Gott, der du regierst die Zeit,
Und bald Leid,
Bald uns wieder schaffest Freud'
Schaff den Winter ohne Kummer
Und danach
Bring an Tag
Den Himmels-Sommer. (g)
(a) alt (wegen der schneeweißen bzw. grauen Farbe)
(b) Angeben
(c) erfreuen
(d) Dornen
(e) vor = vorher
(f) im Originaltext steht 'wieder', was hier sinnfern wäre
(g) im evangelischen Kirchenlied wird das Bild des Sommers oft die Ewigkeit verwendet
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Autor: Johann Christoph Arnschwanger
Melodie: Wohl dem, welcher seiner
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Johann Crügers neu zugerichtete
Praxis pietatis melica
das ist: Übung der Gottseligkeit
übersehen und verbessert von
Peter Sohren
Druck und Verlag Balthasar-Christoph Wust
Frankfurt am Main, 1693
Liednummer 721
Thema: Winterlied
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Johann Christoph Arnschwanger (* 28. Dezember 1625 in Nürnberg; † 10. Dezember 1696 ebenda) war ein deutscher evangelisch-lutherischer Pfarrer und Lieddichter. Er wurde als Sohn des Nürnberger Kaufmanns Georg Arnschwanger und Margarete, geb. Rosenhart, geboren. Nach dem Besuch des Ägidien-Gymnasiums in Nürnberg studierte Arnschwanger ab 1644 in Altdorf bei Nürnberg Theologie und wechselte im Jahr 1647 an die Universität Jena. An der Hochschule in Helmstedt beendete er sein Studium mit Erwerb des Magistertitels. Im darauf folgenden Jahr wurde Arnschwanger als Vikar in seine Vaterstadt Nürnberg berufen und erhielt im Jahr 1652 seine erste Pfarrstelle, als er Diakon (Zweiter Pfarrer) an der Kirche St. Ägidien wurde. Zwei Jahre später übernahm er die Pfarrstelle an der Kirche St. Walpurgis und stieg 1659 zuerst zum Diakon und schließlich 1690 zum Archidiakon an der Hauptkirche St. Lorenz auf. Arnschwangers Werk umfasst nahezu 400 geistliche Lieder, die in zwei Sammlungen erschienen. Eine erste Zusammenstellung erschien 1659 unter dem Titel 'M.J.C. Arnschwangers neue Geistliche Lieder'; die zweite wurde im Jahr 1680 unter dem Titel 'Heilige Palmen und christliche Psalmen' gedruckt. Sein bekanntestes Lied ist ein Epiphaniaslied mit sechs Strophen und heißt 'Nun, liebe Seele, nun ist es Zeit'.
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