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Seht meine lieben Bäume an

Seht meine lieben Bäume an

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Ein Lied vom Reiffen,

den 7. Dez. 1780, Wandsbeck

nach Sirach Kap. 43, Vers 21

'Er schüttet den Reif auf die Erde wie Satz; und wenn es gefriert, so werden Eiszacken wie die Spitzen an den Stecken'

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1.) Seht meine lieben Bäume an,

Wie sie so herrlich stehn,

Auf allen Zweigen angetan

Mit Reiffen (a) wunderschön!

 

2.) Von unten an bis oben 'naus

Auf allen Zweigelein

Hängts weiß und zierlich, zart und kraus,

Und kann nicht schöner sein.

 

3.) Und alle Bäume rund umher

All alle weit und breit

Stehn da, geschmückt mit gleicher Ehr,

In gleicher Herrlichkeit.

 

4.) Und sie beäugeln und besehn

Kann jeder Bauersmann,

Kann hin und her darunter gehn,

Und freuen sich daran.

 

5.) Auch holt er Weib und Kinderlein

Vom kleinen Feuerherd,

Und marsch mit in den Wald hinein!

Und das ist wohl was wert.

 

6.) Einfältiger Naturgenuß

Ohn' Alfanz drum und dran

Ist lieblich, wie ein Liebeskuss

Von einem frommen Mann.

 

7.) Ihr Städter habt viel schönes Ding,

Viel Schönes überall,

Kredit und Geld und golden Ring,

Und Bank und Börsensaal.

 

8.) Doch Erle, Eiche, Weid' und Ficht'

Im Reiffen nah und fern –

So gut wirds euch nun einmal nicht,

Ihr lieben reichen Herrn!

 

9.) Das hat Natur, nach ihrer Art

Gar eignen Gang zu gehn,

Uns Bauersleuten aufgespart,

Die anders nicht verstehn.

 

10.) Viel schön, viel schön ist unser Wald!

Dort Nebel überall,

Hier eine weiße Baumgestalt

Im vollen Sonnenstrahl.

 

11.) Lichthell, still, edel, rein und frei,

Und über alles fein! –

O aller Menschen Seele sei

So lichthell und so rein!

 

12.) Wir sehn das an, und denken noch

Einfältiglich dabei:

Woher der Reif, und wie er doch

Zustande kommen sei?

 

13.) Denn gestern abend, Zweiglein rein!

Kein Reiffen in der Tat! –

Muss einer doch gewesen sein

Der ihn gestreuet hat.

 

14.) Ein Engel Gottes geht bei Nacht,

Streut heimlich hier und dort,

Und wenn der Bauersmann erwacht,

Ist er schon wieder fort.

 

15.) Du Engel, der so gütig ist,

Wir sagen Dank und Preis.

O mach uns doch zum heil'gen Christ (b)

Die Bäume wieder weiß!

 

(a) Raureif

(b) zum Weihnachtsfest

 

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Autor: Matthias Claudius

Melodie: ohne Angaben

Strophe 6 nicht am angegebenen Ort

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Neues deutsches Lesebuch

von Carl Oltrogge

Verlag: Georg Heubel

Hamburg/Leipzig, 1848

Thema: Winterlied

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Matthias Claudius (Pseudonym Asmus, * 15. August 1740 in Reinfeld (Holstein); † 21. Januar 1815 in Hamburg) war ein deutscher Dichter und Journalist, bekannt als Lyriker mit volksliedhafter, intensiv empfundener Verskunst. Er studierte Theologie, Rechts- und Staatswissenschaft in Jena (Thüringen), war Sekretär von Graf Ulrich Adolph von Holstein in Kopenhagen, Redakteur in Hamburg, seit 1771 Herausgeber des 'Wandsbecker Boten', mit einer kurzen Unterbrechung 1777 als Redakteur in Darmstadt. Claudius war mit Klopstock und Herder befreundet; gestorben in 1815 in Hamburg. Seine Gedichte, die bald als Volkslieder beliebt wurden, kennzeichnen sich durch echte Herzensfrömmigkeit, zu erwählen sind hier das Erntelied 'Wir pflügen und wir streuen', das Abendlied 'Der Mond ist aufgegangen' und 'Der Tod und das Mädchen'.

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Matthias Claudius' Lieder/ Hymns

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Das Grab ist leer, das Grab ist leer, erstanden ist der Held

Das Grab ist leer, erstanden ist der Herr

Der Mond ist aufgegangen

Diese Leiche hüte Gott, wir vertrauen sie

Ich danke Gott, und freue mich

Kommst, stiller Abend, wieder

Seht meine lieben Bäume an

Was auch von bösen Tagen die Unzufriednen sagen

Wir pflügen, und wir streuen

 

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Uploaded on January 19, 2017
Taken on December 31, 2016