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Allmächtiger, dich fand mein Auge

Photo: Winterlandschaft in Wiesbaden-Dotzheim, OT Sauerland

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Allmächtiger, dich fand mein Auge

 

1.) Allmächtiger, dich fand mein Auge

Im Engel groß und groß im Wurm!

Dich fand ich groß im Frühlingshauche,

Groß find ich dich im kalten Sturm,

Im Rosenkranz, im dürren Laube,

Im Reife (a), wie im Silbertau,

Im Schneegewölk und Himmelsblau,

Am Sterngewölbe und im Staube!

 

2.) Zu deiner Ehre, deinem Ruhme

Ertönt nicht bloß das Lied im Hain.

Dich preist der Schmuck der jungen Blume,

Dich preist die Ernte nicht allein.

Nein, auch in banger Wintertrauer

Erstarrtes Eisgewand gehüllt,

Trägt die Natur der Allmacht Bild

Voll hoher melanchol'scher Schauer.

 

3.) Wie schön, o Gott, im Sterbekleide

Ist nicht noch die verwaiste Flur?

Trägt sie im blumigen Geschmeide

Wohl stärker deiner Allmacht Spur?

Sind Wälder mit entlaubten Zweigen,

Wo Totenstille in der Nacht

Die Schöpfung selbst zum Grabmal macht,

Nicht auch von deiner Liebe Zeugen?

 

4.) Und Saaten, die im Schneegefilde

Jetzt unter Silberdecken ruhn,

Gott, zeugen sie von deiner Milde

Wohl minder, als es Garben tun?

Ach, rühmt das Körnchen, dass auf Eise

Dort noch ein kleiner Vogel fand,

Wohl minder des Erhalters Hand,

Als jene Frucht, gemäht im Schweiße?

 

5.) Sprichst du aus lauen Frühlingslüsten,

Gott, gütiger, als wenn es stürmt,

Und wenn der Nordwind über Grüften

Den Schnee zu hohen Hügeln türmt?

Wie sollten Lüfte, rau und kühle,

Von Krankheit, Pest und Seuchen rein,

Unwürdiger des Dankes sein,

Als Sommernächte, bang und schwüle?

 

6.) Gott, preisen dich der Wolken Schleier,

Die jetzt den Horizont umziehn,

Wohl weniger als Sonnenfeuer,

Die hoch am Sternenhimmel glühn?

Wer rief aus Meeren sie und Seen?

Wer zeigte ihnen Lauf und Bahn,

Und Ziel und die Bestimmung an?

Wer trägt sie dort in jenen Höhen?

 

7.) Gewässer, die den Dunstkreis füllen,

Und die als Flecken dann die Pracht

Der jungen Wintersaat umhüllen,

O, schuf sie nicht dieselbe Macht,

Die euch einst schuf, ihr Wandelsterne,

Die, kaum durchs Auge auszuspähn,

Sich unverrückt um Sonnen drehn

In unermessner blauer Ferne?

 

8.) Und wähnt nur nicht vom Untergange,

Wenn ihr auf leichenvollem Pfad

Jetzt, wie auf ihrem Todesgange,

Zum Teil die Schöpfung Gottes saht.

Denn nimmer herrscht Vernichtung, nimmer

Herrscht Untergang in der Natur.

Einst keimt die neue Kreatur

Aus längst erstorbner Wesen Trümmer.

 

9.) Vernichtet scheinet nur den Toren,

Was welkend auf der öden Flur

Im Herbste sank, denn ach, verloren

Ist ja kein Teilchen der Natur.

Einst treten alle ihre Kräfte

In schön verjüngten Wesen auf,

Erneuert durch den öftern Lauf

Und durch die Mischung ihrer Säfte.

 

10.) Sieh, Kräuter, die im Herbste sterben

Und Blumen, die der Nordwind bricht,

Verwelken nur, denn sie verderben

Ganz ungenützt der Schöpfung nicht.

Nur aufgelöst ruht in der Erden,

Im Meere und im Dunstkreis weilt

Der Kräfte jede, bis verteilt

Am Frühlingstag sie wieder werden.

 

11.) Allmächtiger! Dich ehrt mein Glaube,

Dass keinem Wesen ew'ger Tod,

Dass einst auch mir und meinem Staube

Nicht ewige Vernichtung droht!

Du solltetst untergehn, o Seele?

Und du, mein Körper, bliebest? Wie?

In einer Schöpfung, wo noch nie

Einst Staub verging, vergingst du, Seele?

 

(a) Raureif

 

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Autor: Johann Gotthelf Sinz

Melodie: ohne Angaben

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gefunden in:

Geistliche Oden und Lieder

von Johann Gotthelf Sinz

Dresden, 1793

Thema: Winterlied

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Johann Gotthelf Sinz (*30. November 1756 in Altmügeln/Nordsachsen; † 1811) war ein deutscher evangelischer Pfarrer und Kirchenlieddichter. Er wirkte als Diakon in Mühlberg und war Mitglied einer weitverzweigten Dynastie lutherischer Pfarrer in Mitteldeutschland. Er veröffentlichte 1793 mit Verlagsort Dresden eine Sammlung seiner Werke unter dem Titel 'Geistliche Oden und Lieder'. In Nikolaus Joachim Evers Sammlung geistlicher Lieder, 1817 in Hamburg verlegt, ist ein Lied von ihm aufgenommen.

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Johann Gotthelf Sinz' Lieder/ Hymns

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Alleiniger, zwar auch als Mensch wie ich

Allmächtiger, dich bet ich an

Allmächtiger, dich fand mein Auge

Auf, jauchzet all und lobt den Herrn

Den Tag des Herrn zu feiern

Der Wesen Schöpfer, Gott, auf dessen Wort

Einst werden wir sie wiedersehn

Es ist vollbracht das Opfer für die Welt

Es ist vollbracht, auf Dämmerungen wallt sein letzter Klageton

Gott, auf die Stunde freu ich mich

Gott, welch ein Denkmal deiner Macht

Gott, wie wird es dann uns sein

Senkt einst mein moderndes Gebein

So grenzt des Lebens Frieden

So sind sie denn verschwunden, des Lebens

So sinkt denn zu den Scharen

Vergiss mein nicht, Gott, du Regente

Wie feierlich, o Gott, ists unter deinem Himmel

Wie schön, o Gott, ist die Natur

Wie, die Erde wär ein Tränental

 

 

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Uploaded on January 18, 2017
Taken on February 1, 2015