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alte Guesswhere Fabrik 2014

Daß Chemnitz nicht nur aus Textilindustrie und Maschinenbau bestand, ist ja hinlänglich bekannt. Aber diese Branche hier war weniger populär. Die ursprüngliche Firma hatte in Chemnitz frühe Wurzeln, produzierte die gesamte DDR Zeit hindurch und ist noch heute nicht völlig ungenutzt, wenn auch nach über hundert Jahren die Verwendung nun eine ganz andere ist. Es ist die ehem. Seifenfabrik Schellhorn & Söhne bekannter gewesen unter dem Markenzeichen Schello Seife. Bis in die 60-er Jahre hinein wurde diese hier produziert. Auch die in der Industrie oft verwendete Waschpaste stammte von hier. Doch die Firmengeschichte geht bis in die 1860-er Jahre zurück, als sich Clemens Bertold Schellhorn in der heute nicht mehr existierenden Friedrichstraße 10 häuslich niederläßt und dort auch sein Material- und Seifenwarengeschäft eröffnet. Doch reichliche 10 Jahre später ringt er sich durch, seine von ihm verkauften Seifen selber herzustellen, denn mit der schon damals rasch wachsenden Stadt vergrößert sich nicht nur der private, sondern auch der industrielle Waschmittelbedarf sprunghaft. Doch dafür ist das Lädchen zu klein und er wechselt um 1874 in die Klosterquerstraße 8 (Ecke zur Weberstraße). Dort nimmt er später seine Söhne mit ins Boot und firmiert fortan unter Schellhorn & Söhne, mit seinem Tod noch vor 1900 übernimmt seine Frau Laura Amalie die Geschäftsführung, die wohl schon vorher tonangebend gewesen sein muß, da die Fabrik schon zu der Zeit L.A.Schellhorn & Söhne hieß. Es grenzt fast an ein Wunder, daß die Schellhorns es auf diesem vergleichsweise beengten Areal so lange ausgehalten haben, denn das hier zu sehende großzügige und imposante Fabrikgebäude kann erst so um 1939 entstanden sein. Bis dahin endet die Matthesstraße an der Beyerstraße. Schellhorns haben dort ideale Bedingungen, kaum Umgebungsbebauung, erschlossenes Grundstück durch die nahe gelegene ehem. Gießerei, ungestörte Zufahrt, Nähe zur Hauptverkehrsstraße und zum nächsten Eisenbahnanschluß, der noch von den bankrotten Hartmann-Werken stammt (Ihr erinnert Euch an den Eisenbahnerkrieg ?) Die Bombenangriffe glimpflich überstanden, nimmt das Werk in der Matthesstraße 91 schon 1946 unter Erich Schellhorn die Produktion wieder auf und agiert unter Schellhorn & Söhne noch bis weit in die 60-er Jahre hinein - wahrscheinlich bis 1972, der zweiten großen ¨VEB-Welle¨ aus der Schello als VEB Aerosol Automat hervorgeht. Die Umbenennung gibt Hinweise auf das inzwischen ergänzte bzw geänderte Produktionsspektrum. Erich Schellhorn bleibt vermutlich auch im VEB Fabrikdirektor, denn er wohnt am Küchwaldring 27 (ein Exklusiv-Viertel) und hat dort sogar einen eigenen Telefonanschluß - noch bis mindestens 1983. Besonders freue ich mich über eine Nachricht von Micha Kornmann, einem ehem. Insider, der folgendes mitteilte: "In diesem Gebäude war die Prototypenfertigung für bestimmte Maschinen und Anlagen, der Betriebsteil nannte sch damals "IBR Kosmetik" (Ingenieurbüro Kosmetik) und war ein Teilbetrieb des VEB Aerosol Oberlichtenau. ... Ich habe da mal "kurze Zeit" selbst an der Drehbank gestanden und damals wurden zB. "Rüttelautomaten" entwickelt, mit deren Hilfe Kappen und Ventile in der Spraydosenproduktion einfach in den Sammlerbehälter gekippt werden konnten und dann über eine Spiralföderung am Ende in der Bestückungsmaschine fein säuberlich in Reih´ und Glied zum Bestücken der Dosen oben aufliefen. ... War quasi die "Ideenschmiede" des Aerosol-Kombinats bzw. der Umsetzer der Ideen.

Vielen Dank, Micha Kornmann

 

 

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Uploaded on November 9, 2014
Taken on September 10, 2013