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Bottrop

Ruhrgebiet

NRW

 

 

„...Darum ist es mir auch so wichtig, meine Heimat lieben zu können. Weil ich dadurch auch an einem Ort wie diesem das Gefühl habe, tatsächlich zu Hause zu sein. Denn ich selbst muss ja den Pol bestimmen, um den sich meine Welt drehen soll. Ja, ich könnte tatsächlich eine Novelle schreiben. Über mich und über meinen Werdegang. Über all die Steine und Kanten, die auf meinem Weg lagen und an denen ich mich abgeschliffen habe. Die für die wunden Stellen in meinem Gemüt gesorgt haben und die ich so oft spüre. Aber egal, ob es nun über das Glück oder um die Trauer geht, die ich verspüre. Beides hat seinen Ursprung in mir selbst. Für meine Befindlichkeiten kann und darf ich niemanden sonst verantwortlich machen... Bei diesem Foto sind es die Bodenplatten, die mich angesprochen haben. Und die mich zu meinem Stift haben greifen lassen. Sie haben mich an ein Puzzle erinnert. An das Puzzle, an dem ich schon so lange sitze. Meine Selbstfindung. Die Verarbeitung meiner Vergangenheit. Ich muss daran denken, dass ich in manchen Phasen mehr Brücken abgerissen als errichtet habe. Ich sehe die Kreuzungen, an denen ich abgebogen bin und die zu einem Umweg wurden. Den ich aber nicht bereuen darf, weil es keinen Weg zurück gibt. Ich denke daran, wie bewusst es mir geworden ist, dass jeder Tag einzigartig ist. Und das nichts im Leben selbstverständlich ist. Nichts. Und niemand. Niemand sonst lebt mein Leben außer mir selbst. Geht von mir Hass, Teilnahmslosigkeit oder Negativität aus, dann beeinflusse ich damit meine Umwelt. Und das Leben anderer. Und dadurch wiederum auch mein eigens Leben. Denn auch hier folgt auf eine Aktion eine Reaktion... Ich versuche nicht mehr, die Welt zu ändern. Ich schaffe es ja nicht einmal, mich selbst zu verändern... Ich bin das Produkt meiner Vergangenheit. Viele, die mit mir zu tun haben, sagen mir oft, dass sie meine soziale Kompetenz schätzen. Und das ich eigentlich nie Vorurteile jemandem oder etwas gegenüber habe. Was würden diese Leute denken,wenn ich ihnen erzählen würde, was mich dermaßen geprägt hat, dass ich so bin? Die Auseinandersetzungen in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern mit Nazis, die ich für Skinheads hielt. Die Schlägereien, von denen Narben auf meiner rechten Wange und der Stirn zurückgeblieben sind. Bis mir irgendwann einmal ein Skinhead geholfen hat, nicht schon wieder auf die Fresse zu bekommen. Und ich über das Gespräch mit ihm überhaupt erst verstanden habe, dass nichts so einfach ist. Auch kein Feindbild. Und Feindbilder generell zu nichts führen außer zu noch mehr Feinden... Ich hatte das Vorurteil, dass ein Skinhead automatisch ein Nazi ist. Aber Nazis, die wie Skinheads aussehen, sind genauso ein Zerrbild des eigentlichen Ursprungs wie die heute gefeierten Gangsterrapper mit ihrem Gucci-Singsang. Neben Hiphop habe ich damals angefangen, Ska zu hören. Und darüber habe ich noch ganz andere Musikwelten für mich entdeckt. Und manche, die mich auf der Straße sehen, halten mich vielleicht sogar selbst für einen Skinhead. Aber so ist das halt mit Einflüssen. Mit ihren Folgen muss ich Leben können... Ich bin wie das Ruhrgebiet. Ich bin ein Schmelztiegel, in dem sich alles auflöst und zu etwas neuem wird... Ich war so dumm, das zuzulassen. Ich, der ich sonst ganz sicher ein anderer geworden wäre...“

 

 

 

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Uploaded on September 15, 2021
Taken on September 11, 2021