Back to photostream

Mandelaugentücken

Nicht jeder Ortswechsel ist zugleich auch ein Stellungswechsel. Aber jedes Foto hat seine eigene Geschichte. Ich habe hier jedenfalls dauerhaft Haltung bewahrt und mich ausschließlich der fotografischen Leidenschaft gewidmet. Nein, so ist's nicht ganz korrekt ausgedrückt.

Internationale Freundschaftsdienste will ich gerne auch beiläufig erwähnen. So ein auffälliger schwarzgelber NIKON-Schulterriemen, der mich auch hier in meinem Einsatz wieder als "Markenträger" definierte, kann aus Fremden vorübergehend Freunde machen . . . – Ich hatte meinen Kirschblütenfokus gerade mit einer kleinen Fotoserie erfolgreich beendet, als ich meinerseits tonlos fokussiert wurde.

Mandelaugen blickten mich an. Ja, die meinten mich! Und ihre zierlichen Hände reichten mir jetzt eine ebenso filigrane Kompaktkamera. Fern dem Fudschijama fuhren die weiblichen Mandelaugen wohl voller Rührung auf den hier entfachten Kirschblütenzauber ab. Die gesamte Choreografie zwischen Europa und Asien lief in diesen Momenten ausschließlich über Gesten und Fingerzeige. Schon hatte sich die fernöstliche Dame distanziert von mir und ihrer Kamera erwartungsfroh vor dem rosa Blütenzauber positioniert. Tja, soll ich da nun wirklich abdrücken? "The sexy girl is in your photo!", rief ich ihr diskret zu. Die Dame aus dem Beate-Uhse-Showfenster blickte meinem ahnungslosen Model genau in deren Heckpartie. "Englisch" war wohl Fehlanzeige. Keine Reaktion. Ich machte eine zaghaft ausladende Handbewegung und zeigte gleich danach auf die "Blanke" im Fenster. Mein freier Arm machte dabei sozusagen einen hohen Bogen über mein Model hinweg zum Fenster mit der Nackischen.

Meine erste Regieanweisung "nach rechts" ignorierte die Dame aus fernem Lande und sie nahm den anschließenden Fingerzeig auf das "Kurvenereignis" im Fenster als (falsche) Grundlage für ihren Positionswechsel. Ich musste annehmen, sie habe angenommen, sie sei nicht in voller Lebensgröße im Fokus ihrer Kamera . . . was unmittelbar einen ebenso beherzten wie sportlichen Sprung über die gerade im zaghaften Keimen begriffene Blumerabatte an ihrem Standort zur Folge hatte. Jetzt stand sie zwei Meter weiter hinten und sie hatte noch immer dieses erfrischend anmutige Lächeln in ihrem Antlitz . . . und nun stand sie noch näher am "Stein meines Anstoßes".

Oh, Frau Mandelauge, die Position ist vorzüglich! Die Dame im Hintergrund kommt jetzt noch besser als Fotodokument nach Japan! Wer mich kennt, weiß, dass mich gar nichts "umhaut". Mir blieb jetzt wohl nur der Versuch einer weiteren Gestenanweisung . . . oh jee . . . jetzt sprang die Gute auch noch über die kniehohe Metallprofileinfassung einer weiteren Rabatte hinter ihr. Fast war jetzt schon Frau Uhse die Hauptperson im Sucher, nachdem ich mich mit einem leicht verzweifelten Blick ins Kameragehäuse über den erneuten Stellungswechsel vergewissert hatte. Ich gab auf und erlöste den Auslöser. Man sollte nicht immer nach Perfektion streben.

Sicher wartete schon der nächste asiatische Fotofreund irgendwo in der Nähe auf meinen fachkundigen Freundschaftsdienst. So kam es dann auch wenig später, 200 Meter weiter. Diesmal war es ein Smartphone, das mir ein wildfremder Mensch aus dem fernen Osten wortlos mit weit ausgestreckten Armen anvertraute. Seine Gesten waren klar: "Die Rathausfassade und ich!" Er strahlte schon, noch ehe er seine Position erreicht hatte. Ja, Meister . . . wollen wir vielleicht doch lieber zu Frau Uhse gehen?

Da stellte er sich auf dem großen, nahezu menschenleeren Rathausplatz doch genau dorthin, wo der Grenzbereich von Sonne und Schatten auf dem Pflaster verlief. Ich murmelte ihm was von "shadow" zu, in der Annahme, dass er mich sowieso nicht verstehen würde. Ich gestikulierte am Schattenverlauf. Sein Lächeln wurde noch freundlicher. Er rückte tatsächlich auf eine weniger kritische Position. Oh je, nun war sein anfangs dahingeworfener Rucksack plötzlich das zweite Hauptereignis im Vordergrund seines schussbereiten Displays. Ich machte eine müde Handbewegung in Richtung seines Transportbehälters. Auch dieser junge Freund zeigte sich ähnlich "spontanmobil", wie schon seine Vorgängerin.

Mit wenigen Sprüngen schnappte er sich den weit gereisten Sack und beförderte ihn quasi über die Seitenlinie ins "Aus". Gemeinsam musterten wir danach das Ergebnis auf seinem smarten Display . . . und schon wieder hatte ich "mit einer guten Tat" einen Menschen glücklich gemacht . . . der Nächste bitte! [PolarOsterTrip2013]

8,183 views
0 faves
13 comments
Uploaded on April 11, 2013
Taken on April 1, 2013