Wie es WIRKLICH war (und ist) – How it REALLY was (and is)
(Bemerkung: Die meisten der kleinen Geschichten des Sekretärs sind in sich abgeschlossen. Diese ist eine Ausnahme und setzt flic.kr/p/2pAVoG3 fort.)
Also, diese Geschichte von meinem Benutzer ("Besitzer" würden wahrscheinlich die meisten sagen, aber das trifft es irgendwie nicht) hat mich schon sehr traurig gemacht – traurig und betroffen.
Nun könnte man sagen: "Tja, so ist das Leben halt." Und auch ich habe ja wahrlich nicht nur Schönes auf Papier gebannt. Ganz besonders traurig und betroffen gemacht hat mich die Rolle, die ich angeblich spielte: Denn sie stimmt einfach nicht. Es ist völlig abwegig, dass ich einen Menschen, der vor mir sitzt, höhnisch oder gar feindselig anschauen würde. Ganz im Gegenteil, ich habe ihn damals aufmunternd angeschaut mit all meinen Tastenreihen – aufmunternd und auch auffordernd. Denn es war ganz klar: Wenn er es noch einmal versucht hätte, sich nur noch einmal aufgerafft hätte – wie von selbst hätten seine Finger die richtigen Tasten getroffen. Aber…
Doch nicht nur meine Rolle in jener Geschichte wurde falsch wiedergegeben, auch die Geschichte selbst war nicht wirklich zu Ende.
Nachdem mein Benutzer (hier muss ich eigentlich schon sagen: "ehemaliger Benutzer", denn ich wurde in irgendeinen Schrank geräumt und vegetierte nutzlos vor mich hin) für einige Zeit einem neuen und wie er selber fand reichlich sinnlosen Broterwerb nachgegangen war, kam es eines Abends dazu, dass seine Lieblingsnichte ihn dazu brachte, sich für sie eine Geschichte auszudenken. Und die musste er ihr nicht nur einmal erzählen, sondern zweimal, dreimal, viermal… Und dann eine zweite Geschichte. Und eine dritte. Schliesslich wollte sie die Geschichten nicht nur erzählt bekommen, sondern kam ins Lesealter und fragte ihren Onkel, ob er ihr die Geschichten nicht aufschreiben könne. In der Zeit, die er nicht mehr zum Erzählen bräuchte, so argumentierte sie mit kindlicher Logik und Schläue, könne er sich neue ausdenken. Und so holte er mich aus dem Schrank, stellte mich wieder auf den mir so wohlvertrauten Tisch und begann, die Geschichten zu tippen. Und weil viele Blätter nur vielleicht halb voll wurden, entschied er sich, die leeren Plätze mit kleinen Zeichnungen zu füllen. So entdeckte er ein Talent neu, das er vor vielen, vielen Jahren als Schüler gehabt und selbst schon lange vergessen hatte. Und eines dieser nur für seine Nichte entstandenen Bücher fiel eines Tages ihrer Patentante in die Hände. Und diese Patentante war Lektorin in einem Verlag.
So kam es, dass aus dem frustrierten Redakteur und zwischenzeitlichen Sachbearbeiter schliesslich ein gefragter Kinderbuchautor wurde. Ich darf nach Herzenslust wieder meiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen, genau wie seine vielen Notizbücher, von denen er für spontane Ideen immer eines in der Tasche hat.
(Teil der Serie: Ein Bild und eine Geschichte. Copyright Der Sekretär, 2024. Alle Rechte vorbehalten.)
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(Note: Most of Secretary‘s little stories are self-contained. This one, however, is an exception and a continuation of flic.kr/p/2pAVoG3.)
Now, this story about my user ("owner" is probably the word most people would use, but somehow that's not quite accurate) made me very sad – sad and distraught.
Now you could say: "Well, that's just life." And I, too, have certainly captured not only nice things on paper. I was particularly saddened and istraught by the role I allegedly played in it: because it's simply not true. It is completely absurd that I would look at a person sitting in front of me with a sneer or even hostility. On the contrary, I looked at him encouragingly with my array of keys - encouragingly and also urgingly. Because it was quite clear: if he had tried one more time, if he had pulled himself together just one more time - his fingers would have struck the right keys as if by magic. However, …
But it wasn't just my role in that story that was wrongly described, the story itself wasn't really over yet, either.
After my user (here I should actually say "former user", because I was stowed in a cabinet somewhere and vegetated uselessly) had pursued a new and, as he himself found, rather meaningless occupation for some time, one evening his favorite niece persuaded him to make up a story for her. And he had to tell it to her not just once, but twice, trice, a four time... And then a second story. And a third. Eventually, she didn't just want the stories to be told to her. She reached reading age and asked her uncle if he could write them down for her. During the time he no longer needed to tell the stories, she argued with childlike logic and cleverness, he could make up new ones. So, he took me out of the cabinet, placed me back on the table that was so familiar to me and started typing up the stories. And because many pages ended up about half full, he decided to fill the empty spaces with small illustrations. Such he rediscovered a talent that he had had as a pupil many, many years ago and which he had long forgotten about himself. And one day, one of these books written just for his niece fell into the hands of her godmother. And this godmother was an editor at a publishing house.
And so it happened that the frustrated journalist and meanwhile clerk eventually became a sought-after children's book author. I can pursue my favorite pastime again to my heart's content, just like his many notebooks, one of which he has always in his pocket for spontaneous ideas.
(Part of the series: A picture and a story. Copyright by Secretary, 2024. All rights reserved.)
Wie es WIRKLICH war (und ist) – How it REALLY was (and is)
(Bemerkung: Die meisten der kleinen Geschichten des Sekretärs sind in sich abgeschlossen. Diese ist eine Ausnahme und setzt flic.kr/p/2pAVoG3 fort.)
Also, diese Geschichte von meinem Benutzer ("Besitzer" würden wahrscheinlich die meisten sagen, aber das trifft es irgendwie nicht) hat mich schon sehr traurig gemacht – traurig und betroffen.
Nun könnte man sagen: "Tja, so ist das Leben halt." Und auch ich habe ja wahrlich nicht nur Schönes auf Papier gebannt. Ganz besonders traurig und betroffen gemacht hat mich die Rolle, die ich angeblich spielte: Denn sie stimmt einfach nicht. Es ist völlig abwegig, dass ich einen Menschen, der vor mir sitzt, höhnisch oder gar feindselig anschauen würde. Ganz im Gegenteil, ich habe ihn damals aufmunternd angeschaut mit all meinen Tastenreihen – aufmunternd und auch auffordernd. Denn es war ganz klar: Wenn er es noch einmal versucht hätte, sich nur noch einmal aufgerafft hätte – wie von selbst hätten seine Finger die richtigen Tasten getroffen. Aber…
Doch nicht nur meine Rolle in jener Geschichte wurde falsch wiedergegeben, auch die Geschichte selbst war nicht wirklich zu Ende.
Nachdem mein Benutzer (hier muss ich eigentlich schon sagen: "ehemaliger Benutzer", denn ich wurde in irgendeinen Schrank geräumt und vegetierte nutzlos vor mich hin) für einige Zeit einem neuen und wie er selber fand reichlich sinnlosen Broterwerb nachgegangen war, kam es eines Abends dazu, dass seine Lieblingsnichte ihn dazu brachte, sich für sie eine Geschichte auszudenken. Und die musste er ihr nicht nur einmal erzählen, sondern zweimal, dreimal, viermal… Und dann eine zweite Geschichte. Und eine dritte. Schliesslich wollte sie die Geschichten nicht nur erzählt bekommen, sondern kam ins Lesealter und fragte ihren Onkel, ob er ihr die Geschichten nicht aufschreiben könne. In der Zeit, die er nicht mehr zum Erzählen bräuchte, so argumentierte sie mit kindlicher Logik und Schläue, könne er sich neue ausdenken. Und so holte er mich aus dem Schrank, stellte mich wieder auf den mir so wohlvertrauten Tisch und begann, die Geschichten zu tippen. Und weil viele Blätter nur vielleicht halb voll wurden, entschied er sich, die leeren Plätze mit kleinen Zeichnungen zu füllen. So entdeckte er ein Talent neu, das er vor vielen, vielen Jahren als Schüler gehabt und selbst schon lange vergessen hatte. Und eines dieser nur für seine Nichte entstandenen Bücher fiel eines Tages ihrer Patentante in die Hände. Und diese Patentante war Lektorin in einem Verlag.
So kam es, dass aus dem frustrierten Redakteur und zwischenzeitlichen Sachbearbeiter schliesslich ein gefragter Kinderbuchautor wurde. Ich darf nach Herzenslust wieder meiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen, genau wie seine vielen Notizbücher, von denen er für spontane Ideen immer eines in der Tasche hat.
(Teil der Serie: Ein Bild und eine Geschichte. Copyright Der Sekretär, 2024. Alle Rechte vorbehalten.)
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(Note: Most of Secretary‘s little stories are self-contained. This one, however, is an exception and a continuation of flic.kr/p/2pAVoG3.)
Now, this story about my user ("owner" is probably the word most people would use, but somehow that's not quite accurate) made me very sad – sad and distraught.
Now you could say: "Well, that's just life." And I, too, have certainly captured not only nice things on paper. I was particularly saddened and istraught by the role I allegedly played in it: because it's simply not true. It is completely absurd that I would look at a person sitting in front of me with a sneer or even hostility. On the contrary, I looked at him encouragingly with my array of keys - encouragingly and also urgingly. Because it was quite clear: if he had tried one more time, if he had pulled himself together just one more time - his fingers would have struck the right keys as if by magic. However, …
But it wasn't just my role in that story that was wrongly described, the story itself wasn't really over yet, either.
After my user (here I should actually say "former user", because I was stowed in a cabinet somewhere and vegetated uselessly) had pursued a new and, as he himself found, rather meaningless occupation for some time, one evening his favorite niece persuaded him to make up a story for her. And he had to tell it to her not just once, but twice, trice, a four time... And then a second story. And a third. Eventually, she didn't just want the stories to be told to her. She reached reading age and asked her uncle if he could write them down for her. During the time he no longer needed to tell the stories, she argued with childlike logic and cleverness, he could make up new ones. So, he took me out of the cabinet, placed me back on the table that was so familiar to me and started typing up the stories. And because many pages ended up about half full, he decided to fill the empty spaces with small illustrations. Such he rediscovered a talent that he had had as a pupil many, many years ago and which he had long forgotten about himself. And one day, one of these books written just for his niece fell into the hands of her godmother. And this godmother was an editor at a publishing house.
And so it happened that the frustrated journalist and meanwhile clerk eventually became a sought-after children's book author. I can pursue my favorite pastime again to my heart's content, just like his many notebooks, one of which he has always in his pocket for spontaneous ideas.
(Part of the series: A picture and a story. Copyright by Secretary, 2024. All rights reserved.)