Julian en voyage
Nord gothique
Nordfrankreich ohne seine gotischen Kathedralen, das ist ebenso undenkbar, wie Paris ohne den Eiffelturm oder das Loiretal ohne seine Schlösser. Jede Stadt, die etwas auf sich hält, trumpft in ihrem Zentrum mit einem altehrwürdigen Sakralbau aus dem Mittelalter auf, mal mit zwei, mal mit einem oder auch mal ganz ohne Turm, mal filigran, mal trutzig, aber in den Dimensionen bloß nicht zu sparsam. Neben den drei klassischen Kathedralen der französischen Hochgotik in Chartres, Reims und Amiens, die allesamt Teil des UNESCO-Welterbes sind, finden sich zwischen Normandie und Champagne, Artois und Beauce unzählige weitere Exemplare, die andernorts wahre Tourismusmagneten wären, im Schatten der berühmten "Konkurrenz" aber wohl nur bei eingefleischten Kulturreisenden auf dem Programm stehen.
Manche von ihnen lassen sich sogar gemeinsam mit der Bahn ins Bild rücken! Der am höchsten im Kurs stehende dieser Blicke dürfte jener in Laon sein. Demgegenüber weitgehend unbekannt ist, dass das Sujet "Bahn und Kathedrale" auch mit der Basilika von Saint-Quentin möglich ist, die zwischen dem zwölften und sechzehnten Jahrhundert anstelle einer früheren Abtei über der Stadt thronend errichtet wurde und als Aufbewahrungsort der (vermeintlichen?) Reliquien des Quintinus - einem jener frühchristlichen Märtyrer, über die eigentlich recht wenig bekannt ist - zu Hochzeiten der christlichen Wallfahrten im Mittelalter eine gewisse Bedeutung erlangte.
Die Umsetzung gestaltet sich allerdings nicht ganz einfach, denn der Verkehr auf der Nebenbahn, die Saint-Quentin ostwärts verlässt und heute noch bis ins gut 20 Kilometer entfernte Origny-Sainte-Benoite führt, ist ausgesprochen dünn. 1874/75 von der Compagnie du chemin de fer de Saint-Quentin à Guise als "voie ferrée d'intérêt local" eröffnet, diente sie seit jeher nur lokalen Bedürfnissen und lag stets abseits der großen Verkehrsströme. Ihren planmäßigen Personenverkehr verlor sie 1968 und ein später von der Chemin de fer touristique du Vermandois etablierter Museumsverkehr ruht derzeit wegen einer maroden Brücke über die Oise (bzw. den parallel laufenden Kanal), sodass 2022 allein der bescheidene Güterverkehr zur Tereos-Zuckerfabrik in Origny für minimalen Betrieb auf den Gleisen sorgt, die SNCF Réseau im Auftrag der Région Hauts-de-France als heutige Eigentümerin mit dem Nötigsten an Aufwand instand hält.
Wenn pro Woche zwei Zugpaare unterwegs sind, hat man Glück und das Maximum ist erreicht! Seit Jahresbeginn gibt es neben einer Trasse am frühen Mittwochmorgen, die fotografisch gesehen höchstens im Hochsommer etwas hergeben könnte, auch eine Bedienung am Montagmittag, die am Kathedralenblick genau zur richtigen Zeit unterwegs ist. Vor zwei Wochen, am 7. Februar 2022, war die BB 75409 mit FRET 417501 (Tergnier - Saint-Quentin [- Origny-Sainte-Benoite]) unterwegs. Nach dem Kopfmachen in Saint-Quentin rollt sie im gemächlichen Tempo dem Zielbahnhof entgegen, wo der einzelne Kesselwagen mit in der Zuckerfabrik produziertem Alkohol beladen werden wird. Für die 23 Kilometer Streckenlänge braucht sie insgesamt rund eine Stunde...
Da sie sich dabei den Weg über die zahlreichen unbeschrankten Bahnübergänge, die sich seit Verlassen des Stadtgebiets aneinanderreihen, unter ständigem Pfeifen bahnt, wird sogar der "Ado" (dem englischen "Teenie" verwehren sich die Franzosen mal wieder entschieden ;)), der den schlammigen Feldweg als Rückweg aus der Stadt in sein kleines Dorf nutzt, einmal kurz vom Smartphone aufgeschreckt und schaut einigermaßen erstaunt in Richtung des Zuges, der ihn zu einem kurzen Stopp am Bahnübergang zwingen wird.
Nord gothique
Nordfrankreich ohne seine gotischen Kathedralen, das ist ebenso undenkbar, wie Paris ohne den Eiffelturm oder das Loiretal ohne seine Schlösser. Jede Stadt, die etwas auf sich hält, trumpft in ihrem Zentrum mit einem altehrwürdigen Sakralbau aus dem Mittelalter auf, mal mit zwei, mal mit einem oder auch mal ganz ohne Turm, mal filigran, mal trutzig, aber in den Dimensionen bloß nicht zu sparsam. Neben den drei klassischen Kathedralen der französischen Hochgotik in Chartres, Reims und Amiens, die allesamt Teil des UNESCO-Welterbes sind, finden sich zwischen Normandie und Champagne, Artois und Beauce unzählige weitere Exemplare, die andernorts wahre Tourismusmagneten wären, im Schatten der berühmten "Konkurrenz" aber wohl nur bei eingefleischten Kulturreisenden auf dem Programm stehen.
Manche von ihnen lassen sich sogar gemeinsam mit der Bahn ins Bild rücken! Der am höchsten im Kurs stehende dieser Blicke dürfte jener in Laon sein. Demgegenüber weitgehend unbekannt ist, dass das Sujet "Bahn und Kathedrale" auch mit der Basilika von Saint-Quentin möglich ist, die zwischen dem zwölften und sechzehnten Jahrhundert anstelle einer früheren Abtei über der Stadt thronend errichtet wurde und als Aufbewahrungsort der (vermeintlichen?) Reliquien des Quintinus - einem jener frühchristlichen Märtyrer, über die eigentlich recht wenig bekannt ist - zu Hochzeiten der christlichen Wallfahrten im Mittelalter eine gewisse Bedeutung erlangte.
Die Umsetzung gestaltet sich allerdings nicht ganz einfach, denn der Verkehr auf der Nebenbahn, die Saint-Quentin ostwärts verlässt und heute noch bis ins gut 20 Kilometer entfernte Origny-Sainte-Benoite führt, ist ausgesprochen dünn. 1874/75 von der Compagnie du chemin de fer de Saint-Quentin à Guise als "voie ferrée d'intérêt local" eröffnet, diente sie seit jeher nur lokalen Bedürfnissen und lag stets abseits der großen Verkehrsströme. Ihren planmäßigen Personenverkehr verlor sie 1968 und ein später von der Chemin de fer touristique du Vermandois etablierter Museumsverkehr ruht derzeit wegen einer maroden Brücke über die Oise (bzw. den parallel laufenden Kanal), sodass 2022 allein der bescheidene Güterverkehr zur Tereos-Zuckerfabrik in Origny für minimalen Betrieb auf den Gleisen sorgt, die SNCF Réseau im Auftrag der Région Hauts-de-France als heutige Eigentümerin mit dem Nötigsten an Aufwand instand hält.
Wenn pro Woche zwei Zugpaare unterwegs sind, hat man Glück und das Maximum ist erreicht! Seit Jahresbeginn gibt es neben einer Trasse am frühen Mittwochmorgen, die fotografisch gesehen höchstens im Hochsommer etwas hergeben könnte, auch eine Bedienung am Montagmittag, die am Kathedralenblick genau zur richtigen Zeit unterwegs ist. Vor zwei Wochen, am 7. Februar 2022, war die BB 75409 mit FRET 417501 (Tergnier - Saint-Quentin [- Origny-Sainte-Benoite]) unterwegs. Nach dem Kopfmachen in Saint-Quentin rollt sie im gemächlichen Tempo dem Zielbahnhof entgegen, wo der einzelne Kesselwagen mit in der Zuckerfabrik produziertem Alkohol beladen werden wird. Für die 23 Kilometer Streckenlänge braucht sie insgesamt rund eine Stunde...
Da sie sich dabei den Weg über die zahlreichen unbeschrankten Bahnübergänge, die sich seit Verlassen des Stadtgebiets aneinanderreihen, unter ständigem Pfeifen bahnt, wird sogar der "Ado" (dem englischen "Teenie" verwehren sich die Franzosen mal wieder entschieden ;)), der den schlammigen Feldweg als Rückweg aus der Stadt in sein kleines Dorf nutzt, einmal kurz vom Smartphone aufgeschreckt und schaut einigermaßen erstaunt in Richtung des Zuges, der ihn zu einem kurzen Stopp am Bahnübergang zwingen wird.