Gemeinsamer Kampf
Berlin: »Unteilbar«-Bündnis mobilisiert für Großdemonstration am 04.09.2021. Hunderttausend Teilnehmende erwartet
(Felix Jota, www.jungewelt.de/artikel/409703.demonstration-gemeinsamer...)
Hintergrund: Unteilbar seit 2018
Anders als 2018 hat die Demonstration des »Unteilbar«-Bündnisses an diesem Sonnabend kein einzelnes Thema. Im Aufruf wird die Pandemie genannt, die weltweit offengelegt habe, »was gesellschaftlich falsch läuft«, aber auch der immer bedrohlicher werdende Klimawandel, die Zunahme von Rassismus, die Abschottung der EU. Das Bündnis setzt sich für eine Gesellschaft ohne Armut ein und fordert »menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen«. »Wir wollen eine Politik, bei der diejenigen, die Reichtum angehäuft haben, die Kosten der Krise tragen«, heißt es. Gefordert wird auch ein »weltweit gerechter Zugang zu Covid-19-Impfstoffen«.
Die Demo soll mit einer Auftaktkundgebung im Bereich der Straße des 17. Juni beginnen. Anschließend soll sich der in Blöcke gegliederte Zug, für den ein Hygienekonzept erarbeitet wurde, zum Alexanderplatz bewegen, wo etwa um 15.30 Uhr eine Abschlusskundgebung geplant ist. Dort gibt es Reden, etwa vom Verdi-Bundesvorsitzenden Frank Wernecke und von Klimaschutzaktivistin Carla Reemtsma von »Fridays for Future«. Per Video soll der im russischen Exil lebende Whistleblower Edward Snowden zugeschaltet werden. Auch Musik gehört zum Programm, so vom Singer-Songwriter Max Herre.
Das Unteilbar-Bündnis organisiert seit Jahren Demonstrationen. Auf die erste Großdemo mit mehr als 240.000 Teilnehmern in Berlin im Oktober 2018 folgte eine Kundgebung mit rund 40.000 Teilnehmern in Dresden. Kurz nach dem Anschlag von Halle im Oktober 2019 mobilisierte das Bündnis Tausende nach Berlin. Nach der Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD folgte im Februar 2020 eine Kundgebung in Erfurt unter dem Motto »#nichtmituns«, zu der rund 18.000 Menschen kamen. (fj)
Manchmal kann man sich seine Freunde nicht aussuchen. »Wir sind mehr, wir sind bunt, wir sind unteilbar. Das zeigen wir heute allen Hetzern, die uns spalten wollen.« Mit diesen Worten hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am 13. Oktober 2018 zur Teilnahme an der Großdemonstration in Berlin aufgerufen, mit der das Bündnis »Unteilbar« erstmals in Erscheinung trat. Statt der erwarteten 40.000 gingen an diesem Tag weit mehr als 200.000 Menschen in Berlin auf die Straße. So viele werden es wohl nicht sein, wenn an diesem Sonnabend – drei Wochen vor der Bundestagswahl – das Bündnis wieder eine Großkundgebung in der Hauptstadt organisiert. »Wir erwarten mehrere zehntausend Menschen«, erklärte Bündnissprecherin Anna Spangenberg am Freitag gegenüber junge Welt. Unter dem Motto »#Unteilbar – für eine solidarische und gerechte Gesellschaft« wolle man am Nachmittag vom Regierungsviertel zum Alexanderplatz ziehen.
Breites Spektrum
Es lag sicher weniger an Maas’ Appell als am breiten Spektrum der Unterstützer, dass der Start des Bündnisses vor drei Jahren so machtvoll ausfiel – und daran, dass ein solcher Protest in der Luft lag. In Chemnitz hatten Neonazis sechs Wochen zuvor Hetzjagden auf Geflüchtete organisiert, wenig später waren sie zu Hunderten im sachsen-anhaltischen Köthen aufmarschiert. Mit der Demonstration in Berlin sollte ein Zeichen gesetzt werden gegen Rassismus und Ausgrenzung. Herbert Grönemeyer und Konstantin Wecker sangen, vor der Siegessäule gab es Reden, und bei Twitter gingen die Hashtags »#unteilbar« und »#EsReicht« durch die Decke.
In diesem Jahr ist Grönemeyer nicht dabei. Und Maas wird wohl nicht zur Teilnahme aufrufen. Nach dem blamablen Agieren seines Ministeriums bei den Evakuierungen aus Afghanistan hat er anderes zu tun. Dafür wird seine Partei vertreten sein, ebenso wie Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Die drei dürfen in eigenen Blöcken mitlaufen, allerdings ganz hinten. Tatsächlich ist »Unteilbar« eher links ausgerichtet, aber radikale Analysen und Forderungen erlaubt die Breite des Bündnisses praktisch nicht.
Mehr als 340 Organisationen haben den Demoaufruf unterzeichnet. Das Spektrum reicht von den Flüchtlingsräten über Mieterinitiativen und Friedensgruppen bis hin zu Gewerkschaften und der klimapolitischen Schulstreikbewegung »Fridays for Future«. Bündnissprecherin Spangenberg sieht die Breite als Stärke: »Sie zeigt, dass wir uns nicht spalten lassen dürfen – denn wir sind diejenigen, die Unterschiede solidarisch aushalten können.« Klar sei, dass »menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen nicht dem Markt überlassen werden dürfen«. Dass das Wort »Kapitalismus« im Aufruf nicht auftaucht, verteidigt die Sprecherin. »Wir alle wissen, wir leben im Kapitalismus – und thematisieren das im Aufruf.« Wie explizit das zu benennen sei, dazu gebe es bei den unterstützenden Organisationen »sicherlich unterschiedliche Positionen«.
Zu den Rednern zählt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. »Unsere Gesellschaft ist tief gespalten, die Coronakrise hat die soziale Ungleichheit noch verschärft«, sagte er am Freitag gegenüber jW. Es drohe die Gefahr, dass notwendige Investitionen in die soziale Infrastruktur zurückgestellt würden. Daher sei es jetzt »entscheidend, in den sozialen Zusammenhalt zu investieren und die großen Probleme dieses Landes anzugehen«. Das gehe aber nur solidarisch, dafür stehe »Unteilbar«.
Vage Forderungen
Auch Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Partei Die Linke im Bundestag, hält das Bündnis für wichtig, einer gewissen Skepsis zum Trotz. »Ganz im Sinne einer verbindenden Klassenpolitik macht das Bündnis ›Unteilbar‹ deutlich, dass die Kämpfe gegen Armut und schlechte Lebens- und Arbeitsverhältnisse mit denjenigen gegen Ausgrenzung und Rassismus zusammengeführt werden müssen«, erklärte sie am Donnerstag auf jW-Anfrage. Klar sei allerdings auch, dass aufgrund der Breite der Unterstützer die Forderungen des Bündnisses vage bleiben müssten. »Weder wird im Aufruf der Kapitalismus als Ursache von Armut und Umweltzerstörung klar benannt noch werden milliardenteure Aufrüstung und NATO-Kriege thematisiert«, so Jelpke. Hier erhoffe sie sich »von radikalen Linken entsprechende Akzente und Klartext auf der Demonstration«.
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Gemeinsamer Kampf
Berlin: »Unteilbar«-Bündnis mobilisiert für Großdemonstration am 04.09.2021. Hunderttausend Teilnehmende erwartet
(Felix Jota, www.jungewelt.de/artikel/409703.demonstration-gemeinsamer...)
Hintergrund: Unteilbar seit 2018
Anders als 2018 hat die Demonstration des »Unteilbar«-Bündnisses an diesem Sonnabend kein einzelnes Thema. Im Aufruf wird die Pandemie genannt, die weltweit offengelegt habe, »was gesellschaftlich falsch läuft«, aber auch der immer bedrohlicher werdende Klimawandel, die Zunahme von Rassismus, die Abschottung der EU. Das Bündnis setzt sich für eine Gesellschaft ohne Armut ein und fordert »menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen«. »Wir wollen eine Politik, bei der diejenigen, die Reichtum angehäuft haben, die Kosten der Krise tragen«, heißt es. Gefordert wird auch ein »weltweit gerechter Zugang zu Covid-19-Impfstoffen«.
Die Demo soll mit einer Auftaktkundgebung im Bereich der Straße des 17. Juni beginnen. Anschließend soll sich der in Blöcke gegliederte Zug, für den ein Hygienekonzept erarbeitet wurde, zum Alexanderplatz bewegen, wo etwa um 15.30 Uhr eine Abschlusskundgebung geplant ist. Dort gibt es Reden, etwa vom Verdi-Bundesvorsitzenden Frank Wernecke und von Klimaschutzaktivistin Carla Reemtsma von »Fridays for Future«. Per Video soll der im russischen Exil lebende Whistleblower Edward Snowden zugeschaltet werden. Auch Musik gehört zum Programm, so vom Singer-Songwriter Max Herre.
Das Unteilbar-Bündnis organisiert seit Jahren Demonstrationen. Auf die erste Großdemo mit mehr als 240.000 Teilnehmern in Berlin im Oktober 2018 folgte eine Kundgebung mit rund 40.000 Teilnehmern in Dresden. Kurz nach dem Anschlag von Halle im Oktober 2019 mobilisierte das Bündnis Tausende nach Berlin. Nach der Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD folgte im Februar 2020 eine Kundgebung in Erfurt unter dem Motto »#nichtmituns«, zu der rund 18.000 Menschen kamen. (fj)
Manchmal kann man sich seine Freunde nicht aussuchen. »Wir sind mehr, wir sind bunt, wir sind unteilbar. Das zeigen wir heute allen Hetzern, die uns spalten wollen.« Mit diesen Worten hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am 13. Oktober 2018 zur Teilnahme an der Großdemonstration in Berlin aufgerufen, mit der das Bündnis »Unteilbar« erstmals in Erscheinung trat. Statt der erwarteten 40.000 gingen an diesem Tag weit mehr als 200.000 Menschen in Berlin auf die Straße. So viele werden es wohl nicht sein, wenn an diesem Sonnabend – drei Wochen vor der Bundestagswahl – das Bündnis wieder eine Großkundgebung in der Hauptstadt organisiert. »Wir erwarten mehrere zehntausend Menschen«, erklärte Bündnissprecherin Anna Spangenberg am Freitag gegenüber junge Welt. Unter dem Motto »#Unteilbar – für eine solidarische und gerechte Gesellschaft« wolle man am Nachmittag vom Regierungsviertel zum Alexanderplatz ziehen.
Breites Spektrum
Es lag sicher weniger an Maas’ Appell als am breiten Spektrum der Unterstützer, dass der Start des Bündnisses vor drei Jahren so machtvoll ausfiel – und daran, dass ein solcher Protest in der Luft lag. In Chemnitz hatten Neonazis sechs Wochen zuvor Hetzjagden auf Geflüchtete organisiert, wenig später waren sie zu Hunderten im sachsen-anhaltischen Köthen aufmarschiert. Mit der Demonstration in Berlin sollte ein Zeichen gesetzt werden gegen Rassismus und Ausgrenzung. Herbert Grönemeyer und Konstantin Wecker sangen, vor der Siegessäule gab es Reden, und bei Twitter gingen die Hashtags »#unteilbar« und »#EsReicht« durch die Decke.
In diesem Jahr ist Grönemeyer nicht dabei. Und Maas wird wohl nicht zur Teilnahme aufrufen. Nach dem blamablen Agieren seines Ministeriums bei den Evakuierungen aus Afghanistan hat er anderes zu tun. Dafür wird seine Partei vertreten sein, ebenso wie Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Die drei dürfen in eigenen Blöcken mitlaufen, allerdings ganz hinten. Tatsächlich ist »Unteilbar« eher links ausgerichtet, aber radikale Analysen und Forderungen erlaubt die Breite des Bündnisses praktisch nicht.
Mehr als 340 Organisationen haben den Demoaufruf unterzeichnet. Das Spektrum reicht von den Flüchtlingsräten über Mieterinitiativen und Friedensgruppen bis hin zu Gewerkschaften und der klimapolitischen Schulstreikbewegung »Fridays for Future«. Bündnissprecherin Spangenberg sieht die Breite als Stärke: »Sie zeigt, dass wir uns nicht spalten lassen dürfen – denn wir sind diejenigen, die Unterschiede solidarisch aushalten können.« Klar sei, dass »menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen nicht dem Markt überlassen werden dürfen«. Dass das Wort »Kapitalismus« im Aufruf nicht auftaucht, verteidigt die Sprecherin. »Wir alle wissen, wir leben im Kapitalismus – und thematisieren das im Aufruf.« Wie explizit das zu benennen sei, dazu gebe es bei den unterstützenden Organisationen »sicherlich unterschiedliche Positionen«.
Zu den Rednern zählt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. »Unsere Gesellschaft ist tief gespalten, die Coronakrise hat die soziale Ungleichheit noch verschärft«, sagte er am Freitag gegenüber jW. Es drohe die Gefahr, dass notwendige Investitionen in die soziale Infrastruktur zurückgestellt würden. Daher sei es jetzt »entscheidend, in den sozialen Zusammenhalt zu investieren und die großen Probleme dieses Landes anzugehen«. Das gehe aber nur solidarisch, dafür stehe »Unteilbar«.
Vage Forderungen
Auch Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Partei Die Linke im Bundestag, hält das Bündnis für wichtig, einer gewissen Skepsis zum Trotz. »Ganz im Sinne einer verbindenden Klassenpolitik macht das Bündnis ›Unteilbar‹ deutlich, dass die Kämpfe gegen Armut und schlechte Lebens- und Arbeitsverhältnisse mit denjenigen gegen Ausgrenzung und Rassismus zusammengeführt werden müssen«, erklärte sie am Donnerstag auf jW-Anfrage. Klar sei allerdings auch, dass aufgrund der Breite der Unterstützer die Forderungen des Bündnisses vage bleiben müssten. »Weder wird im Aufruf der Kapitalismus als Ursache von Armut und Umweltzerstörung klar benannt noch werden milliardenteure Aufrüstung und NATO-Kriege thematisiert«, so Jelpke. Hier erhoffe sie sich »von radikalen Linken entsprechende Akzente und Klartext auf der Demonstration«.
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