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Über die Diskriminierung und Ausgrenzung der russischen Minderheit in Lettland, Litauen, Estland und der Ukraine seit 1990

(Manlio Dinucci und Thierry Meyssan in www.voltairenet.org/article203518.html

 

Die Behandlung der russischen Minderheit durch Lettland (und ebenso durch Litauen, Estland und die Ukraine) ist keineswegs eine Frage des Details, sondern stellt den zentralen Punkt des politischen Handelns der NATO in ganz Osteuropa dar.

Nachdem 1990 die Unabhängigkeit der baltischen Staaten ausgerufen wurde, stationierten die Vereinigten Staaten und die NATO die Angehörigen ihrer Vertreter aus dem stay-behind-Netzwerk, das am Ende des Zweiten Weltkriegs rekrutiert wurde und (bis 1989) in der NATO-Zone im Exil lebte. Es handelte sich um Familien, die im Kult des Nationalsozialismus aufgewachsen waren und ein halbes Jahrhundert lang von den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich finanziert wurden, entweder direkt oder mit der Vermittlung der Bundesrepublik Deutschland.

Diese Familien verbreiteten die Idee, dass die Sowjets nie den Nazismus als Ideologie bekämpft hatten, sondern in Mittel- und Osteuropa eingedrungen waren, um ihr Reich zu konsolidieren. Diese Nazi-Kollaborateure hielten sich nie an die Ideologie Hitlers, sondern waren bereit, sich mit den Nazis zu verbünden, um ihr Land gegen das sowjetische "Imperium" zu "verteidigen". Danach haben die "Verbrechen des sowjetischen Regimes" in Lettland einen anderen Charakter und eine andere Tragweite als in anderen Gebieten der Sowjetunion.

Auf dieser Grundlage haben wir die Entwicklung von Gruppen gesehen, die behaupten, Anhänger des Nationalsozialismus zu sein, und die eine historische Verbindung zu ihm hatten, vor allem in Lettland, Litauen, Estland und der Ukraine. Ab 2005 wurden mit Unterstützung der lettischen Präsidentin, einer kanadisch eingebürgerten Lettin, Vaira Vīķe-Freiberga, öffentliche Nazi- oder Neonazi-Zeremonien in Lettland abgehalten, und die stay-behind-Ideologie wurde offiziell [1].

Die derzeitige Behandlung der russischen Minderheit ist nur in diesem Zusammenhang zu verstehen.

 

[1] « La présidente de la Lettonie réhabilite le nazisme », par Thierry Meyssan, Réseau Voltaire, 16 mars 2005.

 

 

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Brief von Manlio Dinucci (Kommentator für die Tageszeitung 'Il Manifesto' an den Botschafter von Lettland in Italien:

 

Rom, 10. Oktober 2018

Exzellenz,

Wir schätzen Ihre Aufmerksamkeit für unsere Arbeit und möchten die beiden daraus entstandenen Fragen beantworten. Wir haben Ihre Korrektur des Prozentsatzes der ethnischen Russen in der lettischen Bevölkerung zur Kenntnis genommen - "25,82 %" statt "fast 30 %". Jedoch ist in einem Land, in dem ein Viertel der Bevölkerung aus ethnischen Russen besteht, die gebräuchlichste Sprache, die auch von zahlreichen anderen Bürgern verwendet wird, Russisch, das inzwischen per Gesetz aus der Hochschulbildung verbannt und in den Sekundarschulen reduziert wird.

Der Ausschuss der Vereinten Nationen zur Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD) erklärt sich "besorgt über die Berichte über die aktuelle Sprachpolitik, die in Lettland ethnische Minderheiten in den Bereichen Bildung und Beschäftigung diskriminiert" (30. August 2018).

Dieser Ausschuss hat eine weitere Frage aufgeworfen, die Sie nicht erwähnen - 11 % der Einwohner, insbesondere der ethnischen Russen, einschließlich der in Lettland geborenen, haben keinen Staatsbürgerstatus. Es handelt sich um "Nichtbürger", die, gegen die Normen der EU, selbst "des Wahlrechts beraubt und beim Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen diskriminiert werden". In Lettland gibt es eine große Welle der Opposition gegen eine solche sprachliche und soziale Diskriminierung - die Partei Saskaņa (Harmonie), die sich der Diskriminierung widersetzt, gewann erneut die politischen Wahlen am 6. Oktober.

Bezüglich des italienischen Kontingents, das nach Ihren Angaben von der NATO in Lettland mit einem "präventiven und abschreckenden Ziel", nämlich der „Verteidigung der Nation" gegen Russland, eingesetzt wird, so müssen wir Sie an Fakten erinnern, die schließlich bereits ausführlich dokumentiert sind. Es ist die NATO, die sich seit 1999 bedrohlich nach Osten ausgedehnt hat, direkt an den Rand des russischen Territoriums. Ab 2004 schwollen die Reihen des Atlantischen Paktes durch alle Länder, die zuvor Teil des Warschauer Pakts mit der UdSSR waren, der dann aufgelöst wurde, an - die NATO unterstützte die Aggression Georgiens gegen Südossetien im Jahr 2008 - und 2014 unterstützte sie die Demonstrationen in der Ukraine, indem sie sie in einen Putsch verwandelte, der von neonazistischen Armeeformationen betrieben wurde, die für diesen Zweck ausgebildet worden waren. Diese Tatsache veranlasste die Russen auf der Krim (ein historisch russisches Gebiet, das Moskau 1954 der Ukraine innerhalb der politischen Grenzen der UdSSR zuschrieb), über ihre Rückkehr in die Russische Föderation durch ein reguläres Referendum zu entscheiden. Indem Sie Russland der "illegalen Annexion der Krim" durch "Gewaltanwendung" beschuldigen, schaffen Sie ein Bild des funktionalen Feindes für die Eskalation der USA/NATO, das Europa in Richtung einer gefährlichen Konfrontation ähnlich der des Kalten Krieges zieht.

Ich stehe Ihnen für weitere Klärung zur Verfügung.

Manlio Dinucci

Kommentator für Il Manifesto

 

 

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Wahlkampf in der Ukraine: Faschisten werden gehätschelt, Marxisten ins Gefängnis gesteckt. Mittlerweile gibt es neben den vom Regime Ermordeten tausende politische Häftlinge in der Ukraine. (Ein Gespräch mit Wassili Wolga, Von Lilija Bersuch, aus www.jungewelt.de/artikel/342133.widerstand-brot-und-salz-...

Wassili Wolga ist Vorsitzender der »Allianz linker Kräfte«, einer marxistischen Sammlungsbewegung in der Ukraine)

 

In einem Jahr, im Oktober 2019, finden in der Ukraine Parlamentswahlen statt. Schon im März wird ein neuer Präsident gewählt. Der Wahlkampf ist längst eröffnet. Die ukrainischen Linken, zersplittert und uneins wie das ganze Land, versuchen sich schon seit Jahren neu zu sortieren. Ihr Bündnisprojekt »Allianz linker Kräfte« sammelt auf einer marxistischen Plattform die Versprengten. Seit wann besteht das Bündnis?

 

Wir existieren seit 2007, haben uns aber 2015 neu formiert. Nach dem Verbot der KP und zwei anderer linker Parteien haben wir faktisch aus Mitgliedern von fünf Organisationen und parteilosen Linken eine neue, eine marxistische Plattform geschaffen. Unter dieser Fahne versammeln sich inzwischen mehrere zehntausend Anhänger.

 

Was sind die Schwerpunkte Ihrer politischen Arbeit?

 

Zunächst und vor allem wollen wir Frieden im Osten. Wir unterstützen alle Vorhaben, die der Deeskalation und Beendigung des Bürgerkrieges nützen. Wir wollen auch keine Abtrennung der Ostukraine, sondern eine souveräne, unabhängige und neutrale Ukraine.

 

Stehen die ideologischen und politischen Gräben im Land dem nicht entgegen?

 

Die politische Spaltung der Gesellschaft wurzelt doch in erster Linie in der miserablen Wirtschaft und den daraus resultierenden sozialen Problemen. Deshalb fordern wir Programme zur Bekämpfung der wachsenden Armut und die Rücknahme von Privatisierungen sowie einen entschiedenen Kampf gegen Korruption und Kriminalität. Wir lehnen die nationalistische und stramm antikommunistische Politik der Regierung Poroschenko ebenso ab wie die Duldung faschistischer Kräfte im Lande, den Antisemitismus und die Unterdrückung von Minderheiten.

 

Sie selbst sind von Neonazis des Asow-Bataillons wegen Ihrer vermeintlich prorussischen Haltung attackiert worden.

 

Das trifft zu. Überfälle auf Linke gehören zur nationalistischen, repressiven Politik der herrschenden »Patrioten«. Die richtet sich nicht nur gegen Oppositionspolitiker wie mich, sondern gegen alle, die dem antirussischen, chauvinistischen Kurs Kiews nicht bedingungslos folgen, weil der in die Katastrophe führt. Wir waren am 22. April 2016 zu fünft, als wir in Saporischschja zusammengeschlagen wurden. Keiner der Täter wurde verhaftet oder verurteilt, statt dessen rühmten sie sich später im Fernsehen ihrer Taten. Ich erstattete Anzeige. Und als nichts geschah, verklagte ich die Polizei. Das Gericht gab mir recht und forderte von den Ermittlungsbehörden, aktiv zu werden. Innenminister Arsen Awakow interessiert das nicht, das Urteil blieb ohne Folgen. Andernorts wurden faschistische Mörder demonstrativ mit Brot und Salz vor den Gefängnistoren in der Freiheit willkommen geheißen, welche sie für lächerlich kurze Zeit verloren hatten. Die Ermittlungen zur Ermordung der Journalisten Oles Busina 2015 und Pawel Scharamet 2016 verliefen ergebnislos, auch der Massenmord in Odessa am 2. Mai 2014 ist bis heute unaufgeklärt und wurde vertuscht. All das sind für mich Indizien eines Polizeistaates. Mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie hat das nichts zu tun.

 

Und deshalb will Ihre Sammlungsbewegung auch bei den Parlamentswahlen antreten, um das zu ändern?

 

Wir wollen, aber wir dürfen nicht, weil wir eine marxistische Organisation sind. Marxisten sind geächtet und verboten. Das Gesetz über die »Dekommunisierung« der Ukraine, welches das jetzige Regime im April 2015 in Kraft setzte, verurteilte die Vergangenheit von 1917 bis 1991 als verbrecherisch. Parteien und Organisationen, die das nicht so sehen, wurden »dekommunisiert«. Und Denkmale von Lenin, Dzierzynski, Kirow und anderen Persönlichkeiten der Sowjetgeschichte wurden abgerissen, Straßen und Städte bekamen neue Namen. Zum anderen hat die Opposition sich nicht nur staatlicher Repressionen zu erwehren, sondern auch des öffentlichen Drucks und der Bedrohung sowie der Beschneidung und Unterbindung der Meinungs- und Pressefreiheit insgesamt. Jede Kritik an der Regierungspolitik wird als »Separatismus« verfolgt. Die rechtliche Handhabe wurde mit diversen Paragraphen im Strafgesetzbuch geschaffen. Das Regime schützt sich vor der Justiz inzwischen auch mit einer Wagenburg.

 

Und was macht die »Sozialistische Partei der Ukraine«, kurz SPU, deren Vorsitzender Illja Kiwa sich um das Amt des Präsidenten bewirbt?

 

Diese Partei ist so sozialistisch wie die »Nationalsozialisten« in Deutschland. Also blanke Demagogie. Kiwa ist ein Jünger von Nationalisten wie Bandera oder Petljura, also rechter Terroristen. In seiner Heimatregion Poltawa begründete er den faschistischen »Rechten Sektor«.

 

Jemand, der in der Ukraine als Marxist verurteilt und ins Gefängnis geworfen wird: Wie würden Sie diesen bezeichnen?

 

Das ist ein politischer Häftling. Nach unserer Übersicht gibt es davon inzwischen über 5.000. Wobei viele nicht mal ein Urteil erhalten haben: Sie sitzen nur aufgrund von Anschuldigungen in Haft, andere verschwanden spurlos in Gefängnissen des Inlandsgeheimdienstes SBU.

 

 

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Uploaded on October 22, 2018
Taken on October 21, 2018