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DDR-Kita, Berlin Weissensee, Liebermannstraße

Die Auflösung der UdSSR 1991 wurde als großartiger Triumph des Weltkapitalismus gefeiert. Endlich war dem Gespenst des Kommunismus und Sozialismus der Garaus gemacht! Das Ende der Geschichte war gekommen! Solche feierlichen Erklärungen befanden sich natürlich nicht im Einklang mit einer sorgfältigen Untersuchung der Ereignisse in den 74 Jahren seit der Revolution. Die enormen Errungenschaften der Sowjetunion wurden mit keinem Wort erwähnt. Dazu zählten nicht nur ihre entscheidende Rolle beim Sieg über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg, sondern auch die gewaltigen Fortschritte für die sowjetische Bevölkerung in sozialer und kultureller Hinsicht. Das Bestreben, jede Erinnerung an die Erfolge der Sowjetunion aus dem kollektiven Bewusstsein zu tilgen, ist Teil der Fälschung der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Der wichtigste Aspekt dieser Fälschung ist jedoch der Versuch, das Schicksal des Sozialismus auf der Basis eines nationalistischen Narrativs der Oktoberrevolution zu beschreiben. In dieser Darstellung ist die Machteroberung der Bolschewiki ein vom normalen Gang der Geschichte abweichendes, illegitimes und sogar verbrecherisches Ereignis in der Geschichte Russlands. Sie setzt voraus, dass die ursprüngliche Konzeption der Bolschewiki vom Oktober entweder ins Lächerliche gezogen oder ignoriert, und jede bleibende geschichtliche und politische Bedeutung der Oktoberrevolution in Abrede gestellt wird.

 

Dieses reaktionäre Narrativ, mit dem der Oktoberrevolution jede Legitimität, Bedeutung und Ehre abgesprochen werden soll, hängt allerdings an einer einzigen Kleinigkeit – dass der Weltkapitalismus die Widersprüche und Krisen in den Griff bekommen hat, die im zwanzigsten Jahrhundert zu Krieg und Revolution geführt haben.

Genau an diesem Punkt scheitern die Bestrebungen, die Oktoberrevolution und mit ihr alle seitherigen und künftigen Versuche zur Verwirklichung des Sozialismus zu diskreditieren. Das Vierteljahrhundert, das seit der Auflösung der Sowjetunion vergangen ist, zeichnet sich durch eine anhaltende und zunehmende soziale, politische und ökonomische Krise aus. Wir leben in einer Zeit nicht endender Kriege. Seit der ersten US-Invasion des Irak haben deutlich mehr als eine Million Menschen durch amerikanische Bomben und Raketen ihr Leben verloren. Mit der Zuspitzung geopolitischer Konflikte erscheint der Ausbruch eines dritten Weltkriegs immer unvermeidlicher.

Die Wirtschaftskrise von 2008 legte die Anfälligkeit des kapitalistischen Weltsystems bloß. Die sozialen Spannungen nehmen zu angesichts eines Niveaus der Ungleichheit, wie es bisher kein Jahrhundert kannte. Die herrschenden Eliten wenden sich immer stärker autoritären Herrschaftsformen zu, weil die traditionellen Institutionen der bürgerlichen Demokratie dem wachsenden Druck sozialer Konflikte nicht standhalten können. Die Trump-Regierung ist nur ein besonders abstoßendes Beispiel für den allgemeinen Zusammenbruch der bürgerlichen Demokratie. Immer offener tritt die Rolle des Militärs, der Polizei und der Geheimdienste als maßgebliche Kräfte im kapitalistischen Staat zutage.

Zum einhundertsten Jahrestag sind unzählige Artikel und Bücher erschienen, um die Oktoberrevolution in Verruf zu bringen. Doch die Beschwörungen der „Bedeutungslosigkeit“ des Oktobers werden durch den hysterischen Ton vieler Verurteilungen Lügen gestraft. Man behandelt die Oktoberrevolution nicht als historisches Ereignis, sondern als bleibende und gefährliche Bedrohung.

Die Furcht hinter der Verurteilung der Oktoberrevolution kam in einem kürzlich erschienenen Buch eines führenden akademischen Spezialisten für Geschichtsfälschung, Professor Sean McMeekin, deutlich zum Vorschein. Er schreibt:

Mit dem Leninismus verhält es sich leider wie mit den Atombomben, die ebenfalls dem ideologischen Zeitalter entsprangen, das 1917 begann: Einmal erfunden, ist er nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Die soziale Ungleichheit wird uns immer begleiten und damit auch die wohlmeinenden Bestrebungen von Sozialisten, sie abzuschaffen … Wenn uns die letzten hundert Jahre eins gelehrt haben, dann dies: dass wir uns besser wappnen und bewaffneten Propheten, die eine perfekte Gesellschaft versprechen, Widerstand entgegensetzen sollten. (8)

In einem Essay, der in der New York Times im Oktober erschien, warnt der Kolumnist Bret Stephens:

Man kann absehen, wohin es führt, wenn der Kapitalismus und die Finanzindustrie kriminalisiert werden … Auch ein Jahrhundert später ist der Bazillus [des Sozialismus] noch nicht besiegt, und wir sind noch immer nicht immun dagegen.

Die Beunruhigung, die man aus solchen Aussagen heraushört, ist nicht unbegründet. Aus einer kürzlich veröffentlichten Umfrage geht hervor, dass die Mehrheit der seit 1990 in Amerika geborenen jungen Menschen lieber in einer sozialistischen oder kommunistischen Gesellschaft als in einem kapitalistischen Staat leben würde.

 

(von David North am 8.11.2017, Quelle www.wsws.org/de/articles/2017/11/08/okto-n08.html,

 

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Uploaded on November 30, 2017
Taken on October 29, 2017