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Als die Hälfte von uns Kopftuch trug: Sender Oranienburg-Zehlendorf/DDR, Eingangsbereich mit Sgraffito, 1960. Der 360 Meter hohe Sendemast, der sich auch auf dem Wandbild befindet, wurde 2017 gesprengt,nachdem die Sendeanlage 2014 abgeschaltet worden war.

de.wikipedia.org/wiki/Sender_Zehlendorf

 

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Überlegungen zur »Ostmoderne«: Das Stadtmuseum Dresden zeigt eine Ausstellung über den Kulturpalast der Stadt.

Die Diskussionen um den Kulturpalast Dresden sind um so bemerkenswerter, schaut man sich einmal an, wie mit den anderen zwanzig Objekten der »Ostmoderne« in Dresden verfahren wird, ganz zu schweigen von den übrigen 1.837 Kulturhäusern der DDR. Deren Existenz war und ist bedroht durch Vorurteile, Verantwortungslosigkeit und Unterfinanzierung der Kommunen und im Falle der Kulturhäuser durch das Vernichtungswerk der westdeutschen Treuhand (die 1995 in BvS umbenannt wurde).

(Von Sigurd Schulze in www.jungewelt.de/artikel/313529.der-fingerzeig.html)

 

 

Die Wiedereröffnung des Kulturpalasts in Dresden am 28. April nach großen Umbauten war auch ein »Bekenntnis zur eigenen Vergangenheit – ein Bekenntnis, das die komplexe Geschichte der Stadt in der DDR einschließt«, wie Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) bei der Eröffnung sagte. Dresden wolle sich nicht damit bescheiden, »in die vermeintlich unbeschwerte Zeit des Barock und der Renaissance zu verweisen«, sondern auch das DDR-Erbe würdigen: »Dieses Haus war 1969 ein Fingerzeig in die Zukunft – und ist es auch 2017.«

Dem ging ein Denkprozess voraus. Was soll man mit einer solchen »Errungenschaft« eines untergegangenen Staates heute anfangen? Was ist sie der Stadt wert? Ist sie notwendiges Übel oder Bereicherung?

Auch das Stadtmuseum fühlte sich verantwortlich, Antworten auf solche Fragen zu finden. Mit der Ausstellung »Der Kulturpalast Dresden« möchte ein Team um die Kuratorin Claudia Quiring zur Versachlichung der Diskussion beitragen. Die Geschichte des Bauwerks wurde in die des Wiederaufbaus nach dem Krieg eingebettet.Für die Großstädte sah das Nationale Aufbauwerk (NAW) von 1952 die konzentrierte Ansiedlung von Industrie, Wissenschaft und Kultur vor. Für Dresden bedeutete das die Wiedererichtung der schwer zerstörten Innenstadt als ein kompaktes politisches Zentrum und Dominante der Kommune.

 

 

Adieu Zuckerbäckerei

 

Nach dem Vorbild der Lomonossow-Universität in Moskau und des Warschauer Kulturpalasts entwickelte der Chefarchitekt Herbert Schneider das Projekt eines »Hauses der Partei« mit einem 76 Meter hohen Turm. Es machte interessante Metamorphosen durch – bis zu seinem völligen Ersatz durch einen Flachbau. Zum einen wollte Walter Ulbricht, der Generalsekretär der SED, lieber ein Haus der sozialistischen Kultur als ein Haus der Partei. Zum anderen setzte in der Sowjetunion nach Stalins Tod 1953 ein baukultureller Wandel ein: weg von der sogenannten Zuckerbäckerarchitektur, hin zur industriellen Bauweise. Diese ideologische Kehrtwende wurde in der DDR sukzessive nachvollzogen. Als schließlich 1961 der Kongresspalast im Kreml als Flachbau ausgeführt wurde, gab man in Dresden die Hochhausvariante auf und den Kulturpalast als flachen Bau mit Kuppel in Auftrag.

Auch dieses Konzept wurde modifiziert aufgrund von Meinungsstreit und durchaus nützlichen Sparmaßnahmen. Das letztlich realisierte Projekt hatte der Architekturprofessor Leopold Wiel 1960 entworfen. Die komplette Projektierung übernahmen 1962 die Architekten Wolfgang Hänsch und Herbert Löschau vom VEB Hochbauprojektierung Dresden. Gebaut wurde der Kulturpalast schließlich 1966 bis 1969.

 

 

Ein Heranarbeiten

 

Was erst einmal wie eine Geschichte von Irrtümern und Halbheiten wirkt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung doch als der Weg des Heranarbeitens an einen ästhetisch schönen, praktischen und finanzierbaren Bau. Die SED agierte dabei viel weniger dogmatisch, als man es vielleicht vermuten würde. Die Ausstellung würdigt den Kulturpalast als »markanten Bau der internationalen Architekturmoderne, repräsentativ und schlicht zugleich, der in manchem zum Vorbild des Palastes der Republik in Berlin wurde«.

Das Dresdener Gebäude erhielt einen Mehrzwecksaal mit 2.400 Plätzen, eine Studiobühne, Zirkelräume, Restaurants und so weiter. 2008 wurde es unter Denkmalschutz gestellt. Die mangelhafte Akustik und der technische Verschleiß machten nach 30 Jahren erfolgreichen Betriebs eine Generalsanierung des Objekts notwendig. Streitpunkt war die Frage: Erhaltung des Mehrzwecksaals oder Umbau zu einem Konzertsaal mit exzellenter Akustik? Je länger sich die Diskussion hinzog, desto rigoroser wurden die Forderungen. Man solle das Ding abreißen, hieß es, unterstützt vom Chefdirigenten der Sächsischen Staaskapelle, Christian Thielemann, und ein neues Konzerthaus errichten. Dank kluger Leute im Stadtrat wurde den Architekten aufgegeben, durch den Umbau einen Konzertsaal, das Kabarett »Herkuleskeule« und die Städtische Bibliothek unterzubringen. Schließlich wurde von 2013 bis 2017 umgebaut, nach einem Projekt des Hamburger Architekturbüros Gerkan, Marg und Partner.

Die Diskussionen um den Kulturpalast sind um so bemerkenswerter, schaut man sich einmal an, wie mit den anderen zwanzig Objekten der »Ostmoderne« in Dresden verfahren wird, ganz zu schweigen von den übrigen 1.837 Kulturhäusern der DDR. Deren Existenz war und ist bedroht durch Vorurteile, Verantwortungslosigkeit und Unterfinanzierung der Kommunen und im Falle der Kulturhäuser durch das Vernichtungswerk der Treuhand.

 

 

Neutraler Blick gesucht

 

Die Ausstellung geht weit über die Geschichte vom Auf- und des Umbau des Kulturpalastes hinaus. Es werden grundsätzliche Überlegungen für die Gebäude der »Ostmoderne« angestellt. Die vom Geldmangel der Gemeinden bestimmten wirtschaftlichen Erwägungen haben durch Umnutzung, Vernachlässigung und Abriss zu großen Verlusten geführt. Auch wenn sich aktuell ein »Neubewertungsprozess« andeute, bestehe (noch) kein gesellschaftlicher »Konsens über den architektonischen Wert oder gar die Schutzbedürftigkeit der Bauten«, heißt es in der Ausstellung. Angemahnt wird ein »möglichst neutraler Blick auf die baukünstlerischen Qualitäten der Bauten der Nachkriegszeit«.

Ein Aufruf zur öffentlichen Diskussion. Was wäre, wenn politische und wissenschaftliche Institutionen Dresdens einen Anlauf nähmen, um sich zum Beispiel in einem Symposium eben jenem gesellschaftlichen Konsens anzunähern? Der Metropole, die für 2025 den Titel Kulturhauptstadt Europas anstrebt, stände das gut zu Gesicht. Da der Umbau des Kulturpalastes bereits auf der Architekturbiennale in Venedig (2014) Aufmerksamkeit erregte, dürfte das Thema internationales Interesse wecken. Freilich, die »Ostmoderne« loben hieße, auch die DDR loben. Im CDU-geführten Sachsen ist das immer noch ein Tabubruch.

 

Alles in allem: Sowohl der Auftrag zur Neugestaltung des Kulturpalastes als auch dessen Ausführung sind sehr begrüßenswert. Während andernorts die geplanten Etats bis zum Zehnfachen überzogen werden, hat die Stadt Dresden sehr diszipliniert für 200 Millionen Euro gebaut: ein Operettentheater, drei Theatersäle, einen Konzertsaal mit einer Konzertorgel, eine Kabarettbühne und eine Bibliothek.

 

 

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Uploaded on July 3, 2017
Taken on June 4, 2017