hanna_hu
day 9, German blog
Tag 9, Donnerstag 2.8. Vollmond, Palpung
Heute ist einer der großen buddhistischen Feiertage, der Eintritt des Buddha in den Mutterleib. An diesen Tagen sind die Folgen aller Handlungen um ein Vielfaches verstärkt, deshalb verzichten Tibeter an diesem Tag oft auf Fleisch und führen verstärkt religiöse Handlungen aus. Wir haben keinen Strom und es sieht nach Regen aus. Wir haben einen komplett freien Tag und Catherine macht sich auf den Weg auf einen Nachbarberg, den sie bisher noch nie geschafft hat, Fee geht noch einmal zu Jamgön Kongtruls Retreatplatz hoch, Dona und Pat, die gestern die Führung verpasst haben, gehen mit Tashi ins Kloster und Fiona wandert allein los. Ich stelle fest, dass ich vergessen habe, den Akku meiner Kamera aufzuladen, kann also nicht fotografieren. Nach zwei Stunden ist auch der Akku meines Laptop alle, also bleibt nur noch meditieren. Genau das wollte ich ja eigentlich auch an diesem Tag! Ein paar Mantras, viel stilles Sitzen, ich entspanne mich immer mehr. Irgendwann gehe ich ein paar Schritte spazieren, mitsamt Stöcken, aber es regnet inzwischen , ich merke, dass ich gar nichts tun muss und kehre zurück. Mittags organisiert Tashi schlecht gelaunt ein paar (köstliche) mit Kartoffeln gefüllte Momos für uns drei – Fiona, Pat und mich. Dona schreibt an ihrem Buch (mit Solar-Ladegerät) und will kein Mitagessen. Die beiden erzählen, dass sie unten am Stupa waren und sehr nette Kontakte mit der lokalen Bevölkerung hatten.
Ich entschließe mich nach dem Essen, auch runter zu gehen, es hat aufgehört zu regnen. An dem kleinen alten Stupa, auf dem sich in Steinplatten gehauene und bunt bemalte Mantras und Gottheiten türmen, wie es hier üblich ist, stelle ich meine Stöcke an der Mauer ab und schließe mich der Korwa an. Eine süße, krumme Omi mit Gebetsmühle und Hut geht mir voraus, an einer bestimmten Ecke legt sie bei jeder Runde einen Kieselstein auf ein Häufchen. Auf einer Bank am Rande sitzen ein paar stattliche Herren, die wie die Dorfältesten aussehen. Ich werde mit amüsiertem Staunen begrüßt und mein „Tashi Deleg“ erfreut erwidert. Als ich einfach weiter meine Runden drehe, gerate ich immer mehr in den Fluss. Zwei jüngere Frauen mit Schlapphüten zupfen mich am Ärmel, necken mich. Ein Mönch gesellt sich zu den Herren auf der Bank, eine Zeitlang sieht es nach einer ernsthaften Diskussion über die Tagesthemen aus, dann stehen plötzlich alle auf und laufen mit. Der stattlichste Herr mit roten Bändern im Haar schnappt sich einen meiner Stöcke und läuft eine Runde damit, mit schelmischen Blicken in meine Richtung – ich lache nur. Dann stellt er sich neben mich und bemerkt, wie groß ich bin – selbst er ist ein paar Zentimeter kleiner. Alle lachen und freuen sich. Ein kleiner Ganove dreht eine Runde mit beiden Stöcken, stellt sie aber brav zurück. Plötzlich kommt eine junge Frau mit Jeans und Baseballkappe dazu, sie spricht fließend Englisch und freut sich, dies mit mir zu üben. Sie hat in Lhasa auf Lehramt studiert, jetzt darf sie nicht mehr dort hin reisen und ist ziemlich entrüstet darüber. Sie studiert jetzt in Chengdu, was ihr aber gar nicht gefällt. Sie hat acht Brüder und drei Schwestern, meine Bemerkung, dass ihre Mutter eine sehr starke Frau sein muss, bejaht sie energisch. Sie liebt diesen Ort, wo immer noch ihre Eltern und zwei Brüder leben. Ich bin froh, dass ich meine Kamera nicht dabei habe, so ist keine Barriere zwischen mir und ihnen.
Zurück in der Shedra sind inzwischen alle heil von ihren Exkursionen zurückgekehrt, Fiona hat noch eine heilige Quelle entdeckt und sah dabei Catherine den Berg herabkommen. Sie hatte es tatsächlich bis zum Gipfel geschafft, auf dem Rückweg machte der Regen den Abstieg aber recht gefährlich. Wieder einmal loben wir das Glück, dass wir mit dem Wetter haben – die gestrige Tour wäre heute nicht in der Form möglich gewesen. In meinem Zimmer ist Dona mit ihrem Buch und Fiona mit ihrem Kreuzworträtsel beschäftigt, ich gehe ins Nachbarzimmer, wo Fee englischen Tee mit Kondensmilch serviert. Sie kann sich so herrlich über kleine Dinge begeistern. Wir schwatzen eine Weile, wie Teenager im Internat. Sie sagt, dass es kein Problem ist, für den Rest der Reise zweimal täglich Diomax zu nehmen, falls dies nötig ist, gibt mir auch genug Tabletten aus ihrem unerschöpflichen Vorrat. Dann wieder sitzen in meinem Zimmer, ohne Zwang, Zeit- oder Leistungsdruck. Mein Körper-Geist entschleunigt weiter, endlich.
Gegen Abend geht der Strom wieder an, schlagartig ist Tashi Laune besser – ohne Strom kein Funknetz und er ist ständig dabei, mit zwei Telefonen (eins Yunnan, eins Sichuan) und einem Tablet zu telefonieren oder Voicemails auszutauschen. Auch ich kann all meine Geräte wieder aufladen und meine tägliche SMS an Ralf schicken.
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Tag 9, Donnerstag 2.8. Vollmond, Palpung
Heute ist einer der großen buddhistischen Feiertage, der Eintritt des Buddha in den Mutterleib. An diesen Tagen sind die Folgen aller Handlungen um ein Vielfaches verstärkt, deshalb verzichten Tibeter an diesem Tag oft auf Fleisch und führen verstärkt religiöse Handlungen aus. Wir haben keinen Strom und es sieht nach Regen aus. Wir haben einen komplett freien Tag und Catherine macht sich auf den Weg auf einen Nachbarberg, den sie bisher noch nie geschafft hat, Fee geht noch einmal zu Jamgön Kongtruls Retreatplatz hoch, Dona und Pat, die gestern die Führung verpasst haben, gehen mit Tashi ins Kloster und Fiona wandert allein los. Ich stelle fest, dass ich vergessen habe, den Akku meiner Kamera aufzuladen, kann also nicht fotografieren. Nach zwei Stunden ist auch der Akku meines Laptop alle, also bleibt nur noch meditieren. Genau das wollte ich ja eigentlich auch an diesem Tag! Ein paar Mantras, viel stilles Sitzen, ich entspanne mich immer mehr. Irgendwann gehe ich ein paar Schritte spazieren, mitsamt Stöcken, aber es regnet inzwischen , ich merke, dass ich gar nichts tun muss und kehre zurück. Mittags organisiert Tashi schlecht gelaunt ein paar (köstliche) mit Kartoffeln gefüllte Momos für uns drei – Fiona, Pat und mich. Dona schreibt an ihrem Buch (mit Solar-Ladegerät) und will kein Mitagessen. Die beiden erzählen, dass sie unten am Stupa waren und sehr nette Kontakte mit der lokalen Bevölkerung hatten.
Ich entschließe mich nach dem Essen, auch runter zu gehen, es hat aufgehört zu regnen. An dem kleinen alten Stupa, auf dem sich in Steinplatten gehauene und bunt bemalte Mantras und Gottheiten türmen, wie es hier üblich ist, stelle ich meine Stöcke an der Mauer ab und schließe mich der Korwa an. Eine süße, krumme Omi mit Gebetsmühle und Hut geht mir voraus, an einer bestimmten Ecke legt sie bei jeder Runde einen Kieselstein auf ein Häufchen. Auf einer Bank am Rande sitzen ein paar stattliche Herren, die wie die Dorfältesten aussehen. Ich werde mit amüsiertem Staunen begrüßt und mein „Tashi Deleg“ erfreut erwidert. Als ich einfach weiter meine Runden drehe, gerate ich immer mehr in den Fluss. Zwei jüngere Frauen mit Schlapphüten zupfen mich am Ärmel, necken mich. Ein Mönch gesellt sich zu den Herren auf der Bank, eine Zeitlang sieht es nach einer ernsthaften Diskussion über die Tagesthemen aus, dann stehen plötzlich alle auf und laufen mit. Der stattlichste Herr mit roten Bändern im Haar schnappt sich einen meiner Stöcke und läuft eine Runde damit, mit schelmischen Blicken in meine Richtung – ich lache nur. Dann stellt er sich neben mich und bemerkt, wie groß ich bin – selbst er ist ein paar Zentimeter kleiner. Alle lachen und freuen sich. Ein kleiner Ganove dreht eine Runde mit beiden Stöcken, stellt sie aber brav zurück. Plötzlich kommt eine junge Frau mit Jeans und Baseballkappe dazu, sie spricht fließend Englisch und freut sich, dies mit mir zu üben. Sie hat in Lhasa auf Lehramt studiert, jetzt darf sie nicht mehr dort hin reisen und ist ziemlich entrüstet darüber. Sie studiert jetzt in Chengdu, was ihr aber gar nicht gefällt. Sie hat acht Brüder und drei Schwestern, meine Bemerkung, dass ihre Mutter eine sehr starke Frau sein muss, bejaht sie energisch. Sie liebt diesen Ort, wo immer noch ihre Eltern und zwei Brüder leben. Ich bin froh, dass ich meine Kamera nicht dabei habe, so ist keine Barriere zwischen mir und ihnen.
Zurück in der Shedra sind inzwischen alle heil von ihren Exkursionen zurückgekehrt, Fiona hat noch eine heilige Quelle entdeckt und sah dabei Catherine den Berg herabkommen. Sie hatte es tatsächlich bis zum Gipfel geschafft, auf dem Rückweg machte der Regen den Abstieg aber recht gefährlich. Wieder einmal loben wir das Glück, dass wir mit dem Wetter haben – die gestrige Tour wäre heute nicht in der Form möglich gewesen. In meinem Zimmer ist Dona mit ihrem Buch und Fiona mit ihrem Kreuzworträtsel beschäftigt, ich gehe ins Nachbarzimmer, wo Fee englischen Tee mit Kondensmilch serviert. Sie kann sich so herrlich über kleine Dinge begeistern. Wir schwatzen eine Weile, wie Teenager im Internat. Sie sagt, dass es kein Problem ist, für den Rest der Reise zweimal täglich Diomax zu nehmen, falls dies nötig ist, gibt mir auch genug Tabletten aus ihrem unerschöpflichen Vorrat. Dann wieder sitzen in meinem Zimmer, ohne Zwang, Zeit- oder Leistungsdruck. Mein Körper-Geist entschleunigt weiter, endlich.
Gegen Abend geht der Strom wieder an, schlagartig ist Tashi Laune besser – ohne Strom kein Funknetz und er ist ständig dabei, mit zwei Telefonen (eins Yunnan, eins Sichuan) und einem Tablet zu telefonieren oder Voicemails auszutauschen. Auch ich kann all meine Geräte wieder aufladen und meine tägliche SMS an Ralf schicken.